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Ueber die Liebe und den Hass

Ueber die Liebe und den Hass

Titel: Ueber die Liebe und den Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachida Lamrabet
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sein.
    Und dann stand er dort, in der Anstalt. Wie stark kann ein Mensch gedemütigt werden?
    »Du musst damit aufhören, den Schein wahren zu wollen, das macht dich kaputt.« Er zögerte kurz. »Und mich machst du damit auch kaputt.« Johan ist, wie ich zuvor bereits erwähnte, ein Traum von einem Mann, allerdings zählt der richtige Umgang mit labilen Menschen weiß Gott nicht zu seinen Spezialitäten.
    »Du? Kaputt? Wow! Da mag ich mir gar nicht vorstellen, wie du dann in einem nicht-kaputten Zustand aussiehst. Hast du dann Flügel und Superkräfte?« Ich ging zum Tisch, auf dem ein hübscher Blumenstrauß lag, der darauf wartete, ins Wasser gestellt zu werden. Mit dem Strauß in der Hand drehte ich mich wütend zu ihm um. »Wer hat denn noch seinen Job? Wer läuft denn hier jeden Tag schön ordentlich rasiert und frisiert herum?«
    Mir fiel zu spät ein, dass ich mich mit dieser Bemerkung verriet, denn ich beobachtete ihn täglich, wie er zur Arbeit ging. Allerdings wusste ich, dass er es wusste und absichtlich hier vorbeiging, denn das Haus, in dem ich wohnte, befand sich nun wirklich nicht auf seinem direkten Arbeitsweg.
    »Und da hast du tatsächlich den Mumm, hier aufzukreuzen und mir zu sagen, ich würde dich kaputtmachen?« Vor lauter Wut fuchtelte ich wie eine Besessene mit dem Blumenstrauß herum. Ein Stiel knickte.
    Johan ergriff meine Hand und brachte den Strauß in Sicherheit.
    »Ich bin allein. Ich kann nicht mehr«, sagte er. »Als hätte jemand bei mir die Pausentaste gedrückt und dann einfach vergessen, dass ich warte. Und du tust etwas, was ich einfach nicht begreifen kann. Wie kannst du das durchhalten?« Plötzlich schien er sich des Ortes bewusst zu werden, an dem er und ich uns gerade befanden.
    Wir hörten, wie jemand aus dem Hintergrund rief: »So kannst du doch nicht weitermachen, Ouarda.«
    »Wie stellst du dir das denn vor?« Auf die Wut folgte nun der Zynismus. »Und komm mir jetzt bloß nicht mit deinem kindischen Fluchtszenario nach Südfrankreich!«
    Er träumte davon, ein alternatives B & B in der Camargue aufzumachen.
    Ja, echt alternativ, mit einem Kopftuchweib und einem Mann ohne Religion.
    Jemand klopfte an die Tür.
    Ich erschrak. Manchmal kam Jamal noch einmal zurück, um mich kurz in den Arm zu nehmen. Das machte er immer, wenn er gerade seine melancholische Phase hatte. Seine Liebe schien umso stärker zu werden, je verrückter ich wurde. Es war jetzt schon der fünfte Tag in Folge, dass er mir einen großen Blumenstrauß mitbrachte. Ich stellte die Blumen in eine Vase mit Wasser auf die Fensterbank in meinem Zimmer. Dort standen sie dann als stumme Zeugen meiner Untreue und meines lasterhaften Lebenswandels.
    Hannelore steckte den Kopf zur Tür herein.
    »’tschuldigung.«
    Ihr Kopf verschwand wieder.
    Ich hastete zur Tür und riss sie auf. »Nein, macht nichts, Johan wollte gerade gehen, komm ruhig herein.«
    Hannelore war etwas unsicher und blieb einfach stehen. Ich musste sie ins Zimmer hereinziehen.
    Johan blickte enttäuscht drein, machte aber keinerlei Anstalten aufzubrechen.
    »Du bist also Johan?«
    Johan nickte.
    »Ihr wäret ein schönes Paar gewesen in Xenoalloch.«
    »Xenoalloch?« Man konnte seinem Gesichtsausdruck ansehen, dass er Hannelore am liebsten aus dem Zimmer geworfen hätte.
    Und ich wäre am liebsten beiden an die Gurgel gegangen. Also verließ ich das Zimmer.
    Johan kam mir hinterher.
    »Johan, es hat keinen Sinn. Geh jetzt, die Besuchszeit ist schon lange vorüber.« Er holte mich ein und hielt mich zurück.
    »Du musst etwas unternehmen, Ouarda. So kannst du nicht weitermachen.«
    Er hatte mir in einer Kneipe einen Antrag gemacht. Meiner Ansicht nach kein Ort, an dem man jemandem einen Heiratsantrag machen sollte, es sei denn, man beabsichtigt damit, diesen Moment für immer mit dem Dunst von abgestandenem Bier und Zigarettenqualm in Verbindung zu bringen.
    Das war bereits ein Zeichen, dass dieser Heiratsantrag nicht viel Gutes verheißen konnte. Schon damals spürte ich das.
    Deshalb sind Kneipen keine guten Orte. Sie sind unrein. Handlungen, die in einer Kneipe stattfinden, haftet etwas Schmuddeliges an. Als würden die Leute, die eine Kneipe betreten, ihr steriles Ich, ihre saubere, gepflegte Außenhülle am Eingang ablegen. Und oft vergessen sie sie dort dann beim Verlassen der Kneipe.
    Wie ein achtlos stehen gelassener Regenschirm oder ein einsamer Hut, der an der Garderobe hängen bleibt.
    Es war das erste und auch letzte Mal, dass ich mich

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