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Ueber die Verhaeltnisse

Ueber die Verhaeltnisse

Titel: Ueber die Verhaeltnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Frischmuth
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Schwung. Weißt du, was diesen Pfründnern gehört?« Borisch tut plötzlich, als erwarte sie eine Antwort von Mela.
    Mela schluckt. »Aber doch nicht allen«, sagt sie vorbeugend.
    »Weißt du, was denen gehört, nämlich allen?« Mela greift nach der Zeitung und deckt dabei heimlich den jungen Mann ab, der mit ins Bild geraten ist. »Das Firmenzeichen gehört ihnen in die Arschbacken gesengt. Beidseitig.« Bei der genaueren Voraugenführung muß Mela lachen. »Vielleicht liegen dann die endlich einmal vor dem Volk auf dem Bauch, wenn sie nicht mehr sitzen können!«, schreit Borisch.
    »Die verlangen Schmerzensgeld, paß auf.« Mela ist plötzlich dabei mit ihrer Vorstellung.
    »Schmerzensgeld?« Borisch sticht mit dem Zeigefinger nach ihr. »Das ist alles Schmerzensgeld, was da verroulettiert wird. Oder schmerzt es dich vielleicht nicht, wenn sie es dir aus der Tasche ziehen?« Und tatsächlich meldet sich Melas einzig verbliebener Weisheitszahn, wann immer sie an ihren letzten Steuerbescheid denkt. Mit dentistischer Ergriffenheit bohrt die Freundin weiter: »Schau sie dir an, diese Alpin-Potentaten, lauter ausgewachsene Liliputaner. In jedem anderen Land westlich des Neusiedlersees würde man sie höchstens mit Schneewittchens Sarg stolpern lassen. Nur hier, unter der Herrschaft der Papschis, dürfen sie sich so lange den Sack füllen, bis der Boden durchreißt. Papschi der Große hat sie für handzahm gehalten, nur weil sie nicht nach ihm schnappten, wenn er ihnen wohlwollend die Hand auflegte;und Papschi der Dicke hat sie erst an den Löchern erkannt, die sie in seinen Säckel gefressen hatten. Der neue Mensch«, Borisch schüttelt sich, »in seiner von der papschistischen Ära geprägten Ausformung als Made oder Motte, beides Angehörige der verzehrenden Art. Während all die kleinen Melkläuse noch immer glauben, es handle sich um eine Art Staatstheater, um eine Volksbelustigung, die in der Tradition des Jesuitendramas und der Hofoper steht. Nur so kann ich mir erklären, warum die Leute auf der Straße sich noch immer für Statisten halten, denen von der Regie höchstens unartikuliertes Murren zugestanden wird, während die Choreographie sie zwingt, mit ihren Einkaufstaschen auf und ab zu gehen.«
    Mela versucht noch immer, den Chef im Lichte des Papschismus näher zu betrachten. »Und du und ich«, sagt sie plötzlich, »warum machen wir keinen Aufstand?«
    Borisch lacht, daß die letzten Tröpfchen in ihren züngelnden Locken verdampfen. »Du und ich? Zu gefährlich. Bedenk, welche Möglichkeiten wir haben. Stell dir vor, du schüttest etwas ins Bier und vergiftest nicht nur die Anstifter – und ich breche dem einen oder andern beim Massieren die Rückenwirbel.« Borisch führt mit dem Daumen die entsprechende Bewegung aus, die ein bißchen wie das Zerquetschen von Flöhen gerät. »Nein«, sagt sie sinnierend, »ich glaube, das macht sich nicht gut. Man darf den Menschen nicht auch noch den Glauben an die letzten ehrenwerten Handreichungen nehmen. Ein Volk, das sich vor seinen Wirtshäusern fürchten muß, wird schizophren, und jemand, der beim Massieren um seinen Körper bangt, verfällt in schwarze Depression.«
    Mela putzt sich ausführlich die Nase. »Manchmal«, schnaubt sie, »habe ich das Gefühl, daß das alles einfach nur passiert, daß nicht einmal jemand dahintersteckt.«
    »Noch schlimmer«, grollt es aus Borisch nach, »denn alles, was passieren kann, passiert.«

    An Frôs achtzehntem Geburtstag hat ihre Mutter sie in die finanzielle Unabhängigkeit entlassen. Mit einer Art Jahresapanage, nach deren Maßgabe Frô sich in ihren Bedürfnissen einrichten kann. Nicht gerade königlich – Kost und Logis waren ja noch immer frei –, aber doch eine spürbare Erweiterung des Spielraums. Frôs Freude darüber paarte sich anfänglich mit Erschrecken über eine Selbständigkeit, in die sie sich geradezu gedrängt fühlte. Und es dauerte geraume Zeit, bis sie sich getraute, von diesem ihrem Spielraum Gebrauch zu machen. Während Mela sich vorgekommen war wie ein Landesfürst bei der Aufhebung der Leibeigenschaft, mit dem unterschwelligen Wissen, daß das noch lange nicht die tatsächliche Befreiung bedeutet.
    Sie hatte damals auf Frôs Geburtstagsfest – der Geburtstag war auf einen Montag gefallen – mit allen jungen Männern getanzt und zum Schluß noch mehrere Flaschen Sekt spendiert. Und erst beim Zubettgehen war ihr aufgefallen, daß es lauter ehemalige Klassenkameraden von Frô waren, und

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