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Ueber die Verhaeltnisse

Ueber die Verhaeltnisse

Titel: Ueber die Verhaeltnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Frischmuth
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können oder gar dürfen.«

    Es kommt der Tag, an dem Mela endgültig die Geduld verliert. Seit Wochen nichts als gelegentliche Karten, immer mit demselben Text: Mach Dir keine Sorgen! Aufgegeben in verschiedenen Orten der Türkei. Mehr läßt er sie wohl nicht, der Kerl.
    Dem jungen Mann hat sie beim letzten sporadischen Besuch erklärt: »Hör zu, mein Kind ist weg mit diesem Heyn, ich weiß das. Es muß was geschehen.«
    »Auf keinen Fall«, sagt der junge Mann, »der war doch nochnie verheiratet, nicht dieser Heyn, das ist ein Einzelgänger. Und was soll ausgerechnet der mit so einem jungen Ding?«
    »Erlaube! Wer redet von heiraten? Ich sage nur, er hat sich meiner Tochter bemächtigt, und er wird schon gewußt haben, warum er sie so heimlich mit sich schleppt.«
    Der junge Mann hatte das alles nicht glauben wollen. Und überhaupt unterstehe dieser Heyn gar nicht ihm, nur sei halt an den Tauschgeschäften im Orient auch sein Ressort interessiert. Diese ganze Waffenschieberei müsse anders aufgezogen werden, geschickter – oder man ließe es besser bleiben. Aber er werde beim Ressortkollegen nachfragen, und falls sich herausstellen sollte, daß Heyn das Kind tatsächlich bei sich habe, es sozusagen nur im geringsten verschleppt oder mit sich gelockt habe, werde er ihm schon auf die Finger klopfen lassen. Trotzdem glaube er persönlich noch immer, daß sie sich da etwas einbilde. »Mein Gott, ich versteh schon, daß dir das alles nicht recht ist.«
    Ein paar Tage später klingt er ziemlich kleinlaut, als er sie spät am Abend anruft. Kommen kann er nicht, er hat sich einen alten Freund in sein Ministerium geholt, und sie gehen nun den ganzen Bestand durch, Grabungsexpedition zu den neuralgischen Punkten!
    »Du wirst, fürchte ich, nicht viel tun können.« Er zieht andeutungsweise den Rotz hoch, als gehe es darum, eine Erkältung zu simulieren.
    »Was heißt ich? Ich dachte, du würdest etwas in die Wege leiten.«
    »Halt dich fest«, sagt der junge Mann, »oder setz dich hin, wenn du stehst. Die beiden haben am Tag vor ihrer Abreise im Standesamt des ersten Bezirks geheiratet und sich die Dokumente nachschicken lassen.«
    Dazu fällt Mela lange nichts ein.
    »Was ist, bist du in Ohnmacht gefallen?« Der junge Mann versucht, so zärtlich zu klingen, wie das bei einem Verschnupften nur geht. Daß diese ausgewachsene Tochter abgehauen ist, dafür kann er wirklich nichts. Ihm genügt, daß die eigenen Fratzen manchmal Faxen machen, aber bis jetzt hat seine Frau das immer noch hingekriegt, darin ist sie ungeheuer gut.
    »Dank der Nachfrage«, sagt Mela geistesabwesend und »Ich verstehe«. Dann legt sie auf.
    Also verheiratet. Sie läßt sich aufs Sofa fallen, wie hingestreckt. Ihr Kind. Irgendwie undenkbar. Und ohne Papiere. Sie hat die Papiere unten in ihrem Büro, auch die von Frô. In der untersten Schreibtischlade, in einer Dokumentenmappe, damit man sie zur Hand hat, falls ein Paß verlängert werden muß oder so.
    Mela zieht eine Jacke über und geht noch einmal ins SPANFERKEL hinunter. Mit rasselnden Schlüsseln sperrt sie den Hintereingang, durch den man vom Haus kommt, auf. Ein Mann, der gerade heimkehrt, schwankt verwundert grüßend vorüber. »Heimliche Orgien?« fragt er leutselig.
    »Gruftsession«, erwidert Mela trocken.
    Es dauert eine Weile, bis sie die Lade offen hat, denn das Schloß klemmt ein wenig. Und Frôs Papiere sind tatsächlich weg. Jetzt erst beginnt sie an eine gewisse Möglichkeit der Möglichkeit zu denken. Geschlafen hat sie nicht in dieser Nacht.

    »Er muß sie hypnotisiert und vollkommen eingeschüchtert haben«, sagt Mela zwei Tage später zum Chef, dem sie in seiner eigenen Burg gegenübersitzt. Sie hat ihn angerufen, zum ersten Mal in all den Jahren danach. Er könne unmöglich kommen, sagte er, aber wenn es wirklich so dringend sei,wolle er sie bitten, sich zu ihm zu bemühen. Ein Viertelstündchen könne er schon erübrigen, zwischen zwei Terminen. Und wenn es sie nicht störe, daß er dabei sein Joghurt hinunterschlinge. Und so, wie er das sagt, klingt sie wirklich grauslich, die Sache mit seiner Diät.
    Sie ist ein bißchen zu früh dran, und der Sekretär versucht höflich, aber gelangweilt mit ihr zu parlieren, denn natürlich kennt er sie, die Wirtin vom SPANFERKEL.
    Als sie dann endlich vorgelassen wird, ist sie doch ein wenig irritiert von all dem Weiß, Gold und Purpur. Wie ein verlorener Wackerstein sitzt der Chef hinter seinem Schreibtisch und steht natürlich auf,

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