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Ueber die Verhaeltnisse

Ueber die Verhaeltnisse

Titel: Ueber die Verhaeltnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Frischmuth
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in Maßen neugierig. Hauptsache, das Kind war vorhanden.
    »Bist du schon einmal geflogen?« Borisch fragt eher beiläufig.
    »Nie. Es hat sich immer vermeiden lassen.«
    »Ich auch nicht.« Borisch strafft den Rücken. »Aber es wird zum Überleben sein. Ich meine, es wird ja nicht gerade ein Flugzeug abstürzen, nur weil wir beide drin sind. Diese Mühe macht sich das Schicksal schon nicht.«
    »Nein«, seufzt Mela, »das Schicksal macht sich überhaupt keine Mühe, es arbeitet schlampig. Pfusch nenne ich das, lauter Pfuscherei, und ständig muß man selber mit Hand anlegen.«
    »Nimmst du den Trenchcoat oder den Stoffmantel?« fragt Borisch.
    Mela hat bereits ihren Koffer vom Dachboden geholt. Es ist noch derselbe, mit dem sie eingezogen ist.
    »Also mit dem kannst du nicht fahren.« Borisch stupft ihn mit dem Fuß an, er fällt um und öffnet sich mit Wolken von innerem Staub.
    »Warum nicht?« Mela ist mit den Gedanken woanders.
    »Weil ich mich nicht auslachen lasse mit dir, schon gar nicht im Land dieser Hatschibratschis, deren Halbmond hundertfünfzig Jahre lang auf Buda gesteckt hat. Und nur der große Polenkönig hat verhindert, daß er auch hier zum Wahrzeichen wurde. Also, man muß sich schon überlegen, in welchem Aufzug man dorthin fährt.«
    Und obwohl Mela ihr nicht wirklich zugehört hat, murmelt sie etwas von miteinander einkaufen, und so wie sie sich vorkomme, vergesse sie ohnehin alles, also lasse sie gut und gerne sie, Borisch, bestimmen und recht haben. Borisch ist gerührt und ungläubig in einem und verspricht, sogleich eine Liste aufzusetzen, das heißt zwei Listen, eine Pack- und eine Einkaufsliste, an die sie sich dann auch bedingungslos zu halten hätten, um nicht im letzten Augenblick die Nerven zu verlieren. Allerdings bleibt die Frage, ob Trenchcoat oder Stoffmantel, bis auf weiteres offen und ob mit Hut und Sonnenbrille oder einfach und schlicht mit Kopftuch.
    Borischs Vorhersage erfüllt sich. »Wie stellst du dir das denn vor?« herrscht Edvard sie nüchtern an. »Nicht daß ich hilflos wäre ohne dich, aber wo soll diese ewige Reiserei denn noch hinführen?«
    »Also hör zu«, Borisch tätschelt beruhigend Edvards Hand, »nimm an, ich hätte auch eine historische Neugier. Durch soviele Jahrhunderte hindurch haben wir miteinander zu schaffen gehabt. Auch Kriege verbinden – wenn du so willst.«
    »Sobieski hat sie schon bei Chocim aufs Haupt geschlagen«, sagt Edvard mit noch erkennbarer Befriedigung, »und am Kahlenberg wieder.«
    »Schlachten, Schlachten … ich verfolge andere Spuren.« Borisch wittert Morgenluft.
    »Sehr gefährlich für jemanden wie dich.« Edvard wiegt voller Bedenken den Kopf hin und her. »Euer Rákóczi ist dort verstorben und so manch anderer wackerer Ungar.«
    »Aber am Alter.« Borisch weiß genau, wovon sie reden. »Während euer Mickiewicz dort an der Cholera krepiert ist.«
    »Also gut«, sagt Edvard, den Ausgang des drohenden Grabenkriegs vorwegnehmend. »Ich sehe, du hast die erforderliche geschichtliche Reife. Ich erwarte einen eingehenden Bericht über den gegenwärtigen Zustand aller Museen und Archive, hörst du, und das nach Möglichkeit schriftlich, damit du nicht das meiste während des Rückflugs vergißt oder die Erinnerungen durcheinanderbringst.«
    »Sehr wohl, Hetman.« Auch Borisch ist froh über die kunstvolle Verkürzung der Debatte.
    »Ich werde dir eine Aufstellung nach strategischen Punkten machen, damit du nicht wie ein Perlhuhn gackernd herumflatterst und kostbare Zeit vergeudest. Ich mache dich aufmerksam, diese Stadt ist reich, du wirst also zu tun haben.«
    Borisch möchte zwar die einvernehmliche Reisetrennung nicht gefährden, aber dieser Ton kann nicht unwidersprochen bleiben. »Du gebärdest dich, als wärst du mein Führungsoffizier«, sagt sie in milder Empörung. »Nimm zur Kenntnis, daß ich nach anderen Wurzeln graben werde, falls überhaupt. Und wenn dann noch Zeit bleibt, kann ich mich immer nochum deinen vermalefizten Schlachtplan kümmern, verstanden?«
    »Unbötig, wie das Weib an sich«, sagt Edvard. »Mein Gott, ich könnte natürlich andere Saiten aufziehen, aber wozu, nach all den Jahren. Man muß auch auf seine Kräfte achten.«
    »Dafür bring ich dir irgend so eine Handschrift mit, und wenn ich sie stehlen muß.«
    »Stehlen? Dafür hackt man dir die Hand ab. Greif lieber ein bißchen tiefer in die Tasche.«
    Borisch mault. »Als ob ich mich je hätte lumpen lassen.«
    »Darüber reden wir nach deiner

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