Ueber die Wupper
streckte sich auf dem
Zweisitzer aus und packte sich ein Kissen aufs
Gesicht.
… first plane home, first
plane home.
Got to get the first plane home…
Keine zwei Minuten
später war er eingeschlafen.
*
Max spürte ihre
Gegenwart, ehe sie ihn an der Schulter berührte. Er schob das
Kissen weg.
Margit saß an
seiner Seite, die Hände zwischen den Knien eingeklemmt. Sie
sah mitgenommen aus. Curd und Chico waren verschwunden und lagen
wahrscheinlich schon in ihren Schlafsäcken auf dem Heuboden.
Bis auf die Stehlampe waren alle Lampen ausgeschaltet.
»Probleme?«
fragte Max und entfernte einen Fussel, den der gehäkelte Bezug
an seinen Lippen hinterlassen hatte.
»Sie schläft
jetzt«, sagte Margit. »Oben, in dem großen
Bett.«
»Das ist
meins«, sagte Max.
»Pech für
dich.«
Margit stand auf,
damit Max sich aufsetzen und die Beine herumschwingen konnte. Dann
setzte sie sich neben ihn und griff nach ihrer Handtasche, die auf
dem Couchtisch lag. Zwei Benson & Hedges waren noch in der
Packung. Max mußte sich verrenken, um sein Feuerzeug aus der
Hosentasche zu bekommen. Schweigend rauchten sie eine Weile. Ab und
zu schielte Max auf Margits Beine.
»Tanja wurde seit
mehr als einem Jahr von ihrem Stiefvater mißbraucht«,
sagte Margit plötzlich. »Und heute nachmittag hat er es
bei Sonja versucht.«
Max unterließ das
Schielen.
Margit drückte
ihre Zigarette auf der Untertasse aus, die als Aschenbecher diente.
»Zunächst sporadisch, dann immer häufiger.
Irgendwann hat sie es nicht mehr ausgehalten und es ihrer Mutter
erzählt. Die hat sie dafür verprügelt. Hat Tanja
vorgeworfen, sie wolle ihr den Mann wegnehmen. Das muß man
sich mal vorstellen!«
Max räusperte
sich. »Hat die Alte da schon gesoffen?«
»Wäre das
eine Entschuldigung?« fuhr Margit auf.
Max ging darauf nicht
ein. »Wann hat Sonja davon erfahren?«
»Geahnt hat sie
es wohl schon länger. Gesagt hat Tanja es ihr erst vor ein
paar Wochen.«
»War denn sonst
keiner da, an den sich die Mädchen hätten wenden
können?«
»An wen
denn?« fragte Margit wild. »Etwa an die Polizei? Oder
vielleicht an's Jugendamt?«
»Ich dachte eher
an den leiblichen Vater«, sagte Max ganz ruhig.
»Der ist wieder
verheiratet und lebt im Ausland. Zu ihm besteht schon seit Jahren
kein Kontakt mehr.«
Max stand auf und
holte zwei Dosen Alt und zwei Gläser aus der Küche. Aber
Margit mochte nicht, also trank er allein. Lange sagte keiner der
beiden ein Wort. Margit starrte auf ihre Fingernägel, und Max
sah dem Schaum zu, der im Glas Karussell fuhr.
Schließlich war
es Margit, die wieder den Anfang machte. »Vielleicht war er
es, der Tanja umgebracht hat. An dem Abend war er jedenfalls nicht
zu Hause, das hat Sonja gesagt.«
»Wen meinst du
jetzt?«
»Na, Hans, den
Stiefvater.«
»Unwahrscheinlich«,
sagte Max. »Wie hätte er wissen können, daß
Tanja in Wermelskirchen war?«
»Aber irgendwen
hat doch dieser Blödmann gesehen, der dich belastet
hat.«
»Kann sein, kann
nicht sein.« Max balancierte sein Glas auf dem linken Knie.
»Keine Ahnung, warum Aschgereit sagt, er hätte mich
gesehen, oder ob er überhaupt was gesehen hat. Aber daß
er mich mit dem tollwütigen Tankwart verwechselt hat, glaub
ich nicht.«
»Auf jeden Fall
gehört das Schwein hinter Gitter.«
Was in Margits Augen
funkelte, war mehr als Anteilnahme. Max sagte nichts, aber Margit
erkannte, daß er es bemerkt hatte.
Sehr leise sagte sie:
»Als ich fünfzehn war, hat ein Bruder meines Vaters mich
vergewaltigt. Er kam von der Kirmes und war betrunken. Ich war
allein zu Hause. Er fiel über mich her wie ein Tier. Vierzehn
Jahre ist das her, und ich rieche noch immer seine Schnapsfahne,
wenn ich daran denke.« Ihre Knöchel waren weiß, so
sehr ballte sie die Fäuste. »Am nächsten Tag habe
ich es dann meiner Mutter erzählt, und die hat es meinem Vater
gesagt. Ich hab so gehofft, mein Vater würde seinen Bruder
erwürgen oder erschießen. Aber nichts dergleichen ist
passiert. Er hat ihn nicht einmal verprügelt. Statt dessen hat
er ihm einen Job auf Montage irgendwo in Saudi-Arabien besorgt.
Für meine Eltern war der Fall damit erledigt. Sie haben nie
wieder darüber gesprochen. Ich mußte, versprechen,
niemandem davon zu erzählen. Ein Jahr danach bin ich
weggelaufen.«
Max ließ ihr
etwas Zeit, dann fragte er: »Warst du nie wieder
da?«
»Einmal. Vor zwei
Jahren, zur Beerdigung meiner Mutter. Mein Vater kam vor
versammelter Verwandtschaft auf mich zu und
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