Ueber die Wupper
Graue
ausgelatschte Slipper, Frotteesocken, darüber borstiges
Männerbein. Eindeutig, das war er.
Plötzlich
Männerstimmen auf dem Gang. Max richtete sich auf und
verschwand in der unbesetzten Kabine. Er verriegelte die Tür
und klappte den Klodeckel hoch. Der vorherige Benutzer hatte nicht
abgezogen. Max atmete durch den Mund, lehnte sich an die Trennwand
und wartete.
Die Stimmen
gehörten zwei Männern, die sich lautstark über den
Körperbau einer gewissen Angelika unterhielten.
Reißverschlüsse wurden gezogen, Wasser wurde gelassen.
Einer furzte. Dreckiges Lachen. Erneut die
Reißverschlüsse. Abgang ohne Händewaschen. Es wurde
wieder still. Und noch immer kein Laut aus der
Nachbarkabine.
Max wickelte Klopapier
ab, knüllte es zusammen und warf das Knäuel ins Becken.
Dann klemmte er sich das Messer zwischen die Zähne und
betätigte die Spülung. Gurgelndes Rauschen. Laut genug,
um andere Geräusche zu kaschieren. Die Füße auf die
Brille. Die Hände auf die Trennwand. Max zog sich hoch und
warf einen schnellen Blick auf die andere Seite.
Das Erste, was ihm
auffiel, war die Glatze, die beim ersten Mal unter dem Pepitahut
versteckt gewesen war. Wie frisch gebohnert. Das Zweite war
Conradis Körperhaltung. Zusammengesunken, der Kopf auf der
Brust. Und erst dann entdeckte Max, daß Conradi die Hosen
nicht runtergelassen hatte.
Max nahm das Messer
aus dem Mund. »He! Sperrstunde!«
Keine
Reaktion.
Max langte hinter sich
nach unten, nahm die Reserverolle Klopapier vom Wasserkasten und
warf sie Conradi an den Kopf. Der wippte leicht, aber das war auch
schon alles.
Max stieg ab,
verließ die Kabine und nahm Anlauf. Erst beim zweiten Versuch
gab das Schloß von Conradis Kabinentür nach. Die Tür
flog auf und schlug zurück. Max drückte sie wieder
auf.
Nähertreten war
überflüssig. Die Bescherung war auch so zu
sehen.
Conradis
kurzärmliges kariertes Sommerhemd hatte sich verfärbt.
Kurz unterhalb der Brusttasche. Der Fleck war bierdeckelgroß
und dunkelrot. Und mittendrin, wie das Zentrum auf einer
Zielscheibe, befand sich ein schwarzgerändertes
Loch.
Wer auch immer ihn
erschossen hatte, hatte einen Volltreffer gelandet.
29
Dienstag, 6.
September
»Bearbeiten Sie
inzwischen sämtliche Mordfälle NRWs?« fragte Max.
»Wenn ich mich nicht irre, liegt Burg außerhalb Ihres
Reviers.«
»Alles, was Sie
betrifft, geht mich etwas an«, sagte Ullmann, der aussah, als
hätten sie ihn aus dem Bett geholt. »Selbst ein
Strafzettel für falsches Parken.«
»Damit kann ich
nun überhaupt nicht dienen.«
Ullmann zeigte auf den
Zinksarg, der gerade vorbeigetragen wurde. »Wissen Sie, Herr
Hellenrath, bei uns im friedlichen Köln sagt man: ›Der
Bergische schlägt jemand tot für ein Glas Bier.‹
Manchmal hab ich das Gefühl, daß da was dran ist.«
Sein Grinsen war kurz und freudlos. »Die Römer
wußten schon, warum sie in ihrem Lager am Rhein geblieben
sind und sich einen Dreck darum geschert haben, daß die
Barbaren sich in den dunklen Tälern jenseits des Flusses
gegenseitig totgeschlagen haben. Ich wünschte, ich könnte
das auch. Setzen wir uns.«
Sie nahmen den Tisch,
auf dem bis vor kurzem noch Conradis Hut gelegen hatte. Ullmann
winkte dem Dreitagebart, der herangeschlurft kam.
»Für mich
eine Cola ohne Eis«, sagte Ullmann. »Und
Sie?«
»Ein Alt«,
sagte Max. »Aber in 'nem sauberen Glas.«
»Haha«,
machte der Dreitagebart. »Außerdem haben wir schon
geschlossen.«
Ullmann machte sich
nicht die Mühe, ihn anzublicken. »Wenn dem so wäre,
säßen wir nicht hier. Und beeilen Sie sich, wir haben
nicht ewig Zeit.«
Der Dreitagebart
ließ die Mundwinkel hängen und zog ab.
Ullmanns Blick
fixierte Max. »Lassen Sie hören. Und vor allem - lassen
Sie nichts aus.«
Max drehte in Ruhe
seine Van Nelle zu Ende und zündete sie an. Den Rauch blies er
Ullmann zuliebe zur Seite. Dann berichtete er. Von dem
mißglückten Pornoschmuggel und den daraus resultierenden
Schulden, von Conradis Besuch in Höhe und dem gebrochenen Finger,
und wie er Conradi vor etwas mehr als einer Stunde auf dem Klo
gefunden hatte. In knappen Worten, aber doch ausführlich. Theo
Königs Rolle dabei, insbesondere seine Verbindung zu Conradi,
ließ er aus.
»Wie heißt
der Mensch, der mit Ihnen die Pornohefte schmuggeln wollte?«
fragte Ullmann.
Die Getränke
kamen. Max wartete, bis der Dreitagebart wieder abgerückt war.
Ullmann hatte offensichtlich Durst. Die halbe Cola verschwand in
einem Zug.
»Seklacek.
Siegfried
Weitere Kostenlose Bücher