Über Gott und die Welt
Prosciuttinis schließlich, in ihrer gegenseitigen Annihilierung und »katastro-phischen« Rotation, als eine Implosivität des Phallus erscheinen: ein Phallus, der sich implodierend zur Gezähnten Vagina macht.
Der Phallus des Phallus.
Kurzum und schlußendlich, die Goldene Regel für den
AvoKaVo besteht darin, das fragliche Werk immer so zu beschreiben, daß die Beschreibung sich, außer auf andere Bilder, auch auf die Erfahrung anwenden läßt, die man beim Betrachten der Auslagen einer Wurstwarenhandlung macht. Wenn also der AvoKaVo schreibt: »Bei den Bildern von Prosciuttini ist die Wahrnehmung der Formen niemals träge Anpassung an die
Gegebenheit des Gefühls. Prosciuttini sagt uns, daß es keine Wahrnehmung gibt, die nicht Interpretation und Arbeit wäre, und daß der Übergang vom Gefühlten zum Wahrgenommenen
Aktivität ist, Handeln, Praxis, Inder-Welt-Sein als tätiges Konstruieren von Abschattungen, intentional ausgestanzt aus dem Mark des Dings-an-sich«, so erkennt der Leser die Wahrheit des Künstlers, weil sie den Mechanismen entspricht, mit deren Hilfe er beim Wurstwarenhändler eine Mortadella von einem Avokadosalat zu unterscheiden vermag.
Was außer einem Machbarkeits- und Effi zienzkriterium auch ein Moralkriterium etabliert: Man braucht nur die Wahrheit zu sagen. Natürlich kann man das so oder so tun.
(1980)
Was kostet ein Meisterwerk?
Die Debatten der letzten Monate über die Frage, wie man einen Bestseller fabriziert (sei’s im Boutiquen-Format oder für große Kaufhäuser)24, zeigen die Grenzen einer Literatursoziologie, die sich dem Studium der Verhältnisse zwischen Autor und Verlagsapparat (in der Herstellungsphase des Buches) sowie zwischen Buch und Markt (nach seinem Erscheinen) widmet.
Vernachlässigt wird dabei, wie man sieht, ein anderer wichtiger Aspekt des Problems, nämlich die Frage nach der inneren Struktur des Buches. Nicht im banalen Sinne seiner literarischen Qualität (die sich jeder wissenschaftlichen Verifi zierung entzieht), sondern in einem sehr viel subtiler materialistischen und dialektischen Sinne von Endo-Sozio-Ökonomie des narrativen Textes.
Die Idee ist nicht neu. Sie wurde bereits vor zwanzig Jahren von Roberto Leydi, Giuseppe Trevisani und mir in der Mailänder Buchhandlung Aldrovandi entwickelt, und ich selbst habe darüber seinerzeit in der Zeitschrift Il Verri berichtet (Nr. 9/1963, im selben Heft erschien auch eine grundlegende Untersuchung von Andrea Mosetti über die Kosten, die Leopold Bloom aufwenden mußte, um den 16. Juni 1904 in Dublin zu überstehen).
Es ging um die Frage, wie sich für jeden Roman die »Unkosten«, sprich die realen Kosten berechnen lassen, die der Autor zu tragen hatte, um die Erfahrung, von der er erzählt, zu machen. Die Berechnung ist relativ leicht bei Romanen in der ersten Person (die Kosten sind die des Erzählers). Schwieriger wird sie bei solchen mit allwissendem Erzähler, der sich auf die verschiedenen Romanpersonen verteilt.
Beginnen wir mit ein paar einfachen Beispielen, um das Ideenwirrwarr zu klären. Hemingways Wem die Stunde schlägt war sehr billig: Reise durch Spanien als blinder Passagier im Güterwaggon, Unterkunft und Verpfl egung gratis bei den Republikanern, das Mädchen im Schlafsack, also nicht einmal Ausgaben für ein Stundenhotel. Ganz anders dagegen Über den Fluß und in die Wälder, man bedenke nur, was ein einziger Martini in Harry’s Bar kostet.
Christus kam nur bis Eboli ist ein Buch, das von A bis Z auf Staatskosten ging. Die Erzählung Im Schatten des Elefanten kostete Vittorini eine Sardelle und ein halbes Kilo Gemüse (teurer war schon das Gespräch in Sizilien, mit der Fahrkarte von Mailand, auch wenn es damals noch dritte Klasse gab, und den unterwegs gekauften Orangen). Schwierig wird die Berechnung indessen für die gesamte Comédie humaine, weil man nie recht weiß, wer bezahlt; ich fürchte, der Menschenkenner Balzac hat da ein so großes Durcheinander von falschen Bilanzen angerichtet, Rastignacs Ausgaben in die Spalte von Nucingen überschrieben, Schulden, Wechsel, verlorene Summen, ungedeckte Kredite und betrügerische Bankrotte, daß eine Klärung jetzt nicht mehr möglich sein wird.
Durchsichtiger ist die Lage fast überall bei Pavese, ein paar Lire für ein Glas Wein in den Hügeln und basta, nur in Die einsamen Frauen gibt es ein paar Unkosten für Cafés und Restaurants. Gar nicht kostspielig war auch Robinson Crusoe, nur das Schiffsticket ist zu berechnen, auf
Weitere Kostenlose Bücher