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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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Wachsein kann geträumt sein. Ich kann im Traum das reflektierte Bewusstsein haben, nicht zu träumen. Und ich kann im Traum die reflektierte Gewissheit haben: »Dies
muss
ein Traum sein.« Ein Kriterium gibt es nicht.

KAPITEL 9
NACH DER EMERITIERUNG
    Eine Philosophie der Personen
    Sie haben im Jahr 1992 – nach 20 Jahren – Ihre Lehrtätigkeit an der Münchner Universität im Alter von 65 Jahren beendet. Sie hätten auch noch drei Jahre verlängern können. Was hat Sie davon abgehalten?
    Ich wollte den neuen Lebensabschnitt der Emeritierung mit frischen Kräften beginnen. Und ich wollte gehen, wenn die Leute sagen: »Warum gehen Sie denn schon?«, statt »Was, ist der immer noch da?« Außerdem freute ich mich darauf, zu unbehindertem Schreiben zu kommen.
    Welches Resümee Ihrer Münchner Lehrtätigkeit würden Sie ziehen?
    Das müssen meine Schüler tun: Ich habe gern gelehrt. Aber es fehlt mir nichts, wenn ich keine Lehrverpflichtungen mehr habe. Das Recht zu lehren habe ich ja weiterhin, und davon habe ich auch Gebrauch gemacht. Darauf würde ich ungern verzichten. Wenn ich lehre, lerne ich am meisten.
    Im Jahr 1996 erscheint Ihr Buch »Personen«. Es greift noch einmal Ihre naturphilosophischen, ethischen und metaphysischen Themen auf und stellt eine vertiefte Version all Ihrer philosophischen Versuche dar. Im Urteil vieler ein Meisterwerk. Was hat Sie dazu gebracht, dieses Buch zu schreiben?
    Dem Buch ging eine Vorlesung mit dem gleichen Thema voraus. Anlass für mich war eine wachsende Zahl von Stimmen, die nicht mehr allen Menschen den Personenstatus zuerkennen wollten, sondern nur noch solchen Exemplaren der Spezies homo sapiens, die über bestimmte zusätzliche Eigenschaften verfügen, also Neugeborenen nicht, Embryonen nicht, Dementen, auch Altersdementen nicht.
    Bekannt wurde die These durch Namen wie Peter Singer, Derek Parfit, Norbert Hoerster und andere. Sie alle knüpfen ausdrücklich oder unausdrücklich an Lockes Theorie der Person an, eine Theorie, die schon bald von Thomas Reid kritisiert wurde.
    Nach Parfit zum Beispiel hört der Mensch auf, Person zu sein, wenn er schläft. Was dann aufwacht, ist eine neue Person, die von der früheren lediglich bestimmte Gedächtnisinhalte erbt. Übrigens ist für Parfit Altersvorsorge ebenfalls eine Form von Nächstenliebe, weil die Person, für die ich hier Sorge trage, nicht mehr mit mir identisch ist. Personalität ist nur noch ein Zustand, ein Bewusstseinsphänomen.
    Mir schien diese an Locke anknüpfende These verhängnisvoll zu sein. Ich verteidigte Kants Auffassung, dass die biologische Zugehörigkeit zur Menschheitsfamilie allein genügen muss, um einem menschlichen Wesen die – nicht biologisch begründbare – Personenwürde zuzuerkennen.
    Um das aber wirklich zu begründen, musste ich weit ausholen zu einer Theorie der Person, in der der genannte Anlass nur noch eine entfernte Schlussfolgerung darstellt. Im Kern der Theorie steht das Verhältnis von menschlicher Natur und Personalität, ein Verhältnis, das ich als »Haben einer Natur« zu beschreiben suche.
    Personen sind nicht einfach, was sie sind. Sie können sich zu sich selbst verhalten, sie können zum Beispiel wünschen, bestimmte Wünsche nicht zu haben oder zu haben.Von »secondary volitions« spricht Harry Frankfurt. Dass Personen Eigentümer sein können, gründet in ihrem Sein als einem Haben. Ich kann der Herabsetzung des Habens gegenüber dem Sein bei Gabriel Marcel, Erich Fromm oder Viktor Frankl nicht ganz folgen.
    Übrigens konnte ich in dem Buch den Ursprung dieses neuzeitlichen Personenbegriffs in der theologischen Trinitätslehre und Christologie zeigen. Dass ich – ebenso wie Kant in seiner Metaphysik der Sitten – den Personenstatus auch denen zuschreibe, auf die meine Definition gar nicht zuzutreffen scheint, mag verwundern.
    Wir müssen ihn aber, wie unter anderem David Wiggins in »Sameness and Substance« gezeigt hat, für jedes Wesen in Anspruch nehmen, das einer Spezies zugehört, deren normale erwachsene Exemplare über die Eigenschaften verfügen, deretwegen wir von Personen sprechen. Die Begründung gebe ich in meinem Buch.
    Ihr Buch trägt den schönen Untertitel »Versuche über den Unterschied zwischen ›etwas‹ und ›jemand‹«, eine Provokation für Materialisten wie Idealisten. Viele Kritiker haben Ihnen vorgehalten, Sie würden etwas ausgraben, was seit Ende der zwanziger Jahre aus der Mode gekommen sei, den Personalismus. Trifft Sie das?
    Man darf

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