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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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niedertrampelte.
    Als er in sein Arbeitszimmer zurückging, machte er nicht mal die Tür hinter sich zu.
    Mißmutig wählte Erik Ponti Hamiltons Nummer. Wie erwartet meldete sich eine Sekretärin, die kalt und höflich erklärte, der Generaldirektor sitze momentan in einer Konferenz. Vielleicht könne er zurückrufen, wenn er die Zeit dazu finde. Erik Ponti nannte seine Telefonnummer und vergaß dann sofort, daß er angerufen hatte; ein Hamilton würde ihn ohnehin nicht zurückrufen.
    Er blätterte nachdenklich in seinem Telefonbuch und fand die Nummer eines der Anwälte die nach der jüngsten Massenfestnahme verdächtige Kurden verteidigt hatten. Erik Ponti erkannte, daß er hier gute Fragen stellen konnte. Warum greift die Polizei zu Terroristengesetzen statt zu gewöhnlichen gesetzlichen Bestimmungen? Warum hat sich kein Staatsanwalt wegen der Fälle von Freiheitsberaubung sowie der Hausdurchsuchungen verantworten müssen? Ob die Sicherheitspolizei in solchen Situationen nicht für ihre Behauptungen einstehen müsse, um die Anschuldigungen wegen Terrorismus zu erhärten?
    Erik Ponti zog einen dicken Strich unter die letzte Frage. Da war ihm wirklich etwas eingefallen. Würde der jetzige Säpo-Chef sich wirklich damit abfinden, Kurdenjäger zu sein? Nach ihrem jüngsten Gespräch hatte Erik Ponti nicht diesen Eindruck gewonnen. In diesem Moment läutete es. Er riß den Hörer hoch und murmelte seinen Namen, während er mit den Gedanken noch bei seinem Notizblock war. Schließlich ging ihm mit einer verspäteten Reaktion auf, wer ihn da anrief.
    »Hallo«, sagte er erstaunt. »Ich war nicht darauf eingestellt, daß du dich so schnell meldest.«
    »Ach ja? Nun, jetzt habe ich es trotzdem getan«, sagte Carl verblüfft. »Hör mal, ich habe heute viele Konferenzen. Wenn du ein Tonbandgerät bei dir hast, können wir die Sache jetzt gleich aufnehmen, sonst muß es bis nach dem Essen warten.«
    »Hast du vor, auf Interviewfragen zu antworten?« fragte Erik Ponti zweifelnd.
    »Ja«, erwiderte Carl gezwungen. »Ich gehe nämlich davon aus, daß es um Kurden geht. In diesem Fall antworte ich gern, vorausgesetzt, es läßt sich jetzt sofort machen.«
    »Einen Augenblick. Ich muß dich nur mit einem Studio verbinden«, sagte Erik Ponti. Dann lief er in einen Aufnahmeraum weiter unten im Korridor, der zum Glück gerade frei wurde, als er ankam.
    »Hörst du mich jetzt?« fragte er atemlos, nachdem er die richtigen Knöpfe gefunden hatte.
    »Du hörst dich sehr leise an«, teilte Carl mit. Erik Ponti lief schnell in den Regieraum und betätigte eher instinktiv als aus wirklichem Wissen einige Schalter. Als er wieder im Studio saß, funktionierte alles, und das Band lief. Erst da ging ihm auf, daß er sich nicht gerade gut vorbereitet hatte.
    »Hat die Sicherheitspolizei dem Gewaltdezernat in Stockholm bei den Razzien gegen Kurden in den letzten Tagen irgendwie beigestanden?« fragte er. Er kritzelte dann schnell alles hin, was er sich schon längst hätte ausdenken müssen.
    »Nein, keineswegs«, erwiderte Carl knapp. »Wir sind nicht darüber informiert, womit die Stockholmer Polizei im Moment beschäftigt ist. Ich kann nur eines mit Sicherheit sagen, daß diese Leute auf keinen Fall irgendwelche Terroristen festgenommen haben.«
    »Die vorläufig Festgenommenen sind also aus Sicht der Säpo keine Terroristen?« fragte Erik Ponti automatisch; er hatte das Gefühl, daß hier etwas ablief, was er nicht verpassen durfte.
    »Nein, das sind sie nicht«, entgegnete Carl in dem gleichen knappen und leicht verächtlichen Tonfall, in dem er begonnen hatte. »Ich kann mir vorstellen, daß es beim Gewaltdezernat in Stockholm einige phantasievolle Personen gibt, die sich in den Kopf gesetzt haben, daß es sich anders verhält. Es ist immerhin wohlbekannt, wer der Chef dieser Abteilung ist.«
    »Aber der Reichspolizeichef persönlich hat ja bestätigt, man habe vermutlich schon einen Serienmörder festgenommen?« wandte Erik Ponti automatisch ein.
    »Wer sollen denn die Opfer dieses Serienmörders sein?« fragte Carl langsam, jedes Wort betonend.
    »Beispielsweise zwei ermordete Personen in Umeå, wenn wir von den beiden Kurden in Stockholm einmal absehen«, erklärte Erik Ponti. Er ahnte schon, was jetzt kommen würde, obwohl er sich die Wortwahl nie hätte vorstellen können.
    »Dann redet der Reichspolizeichef dummes Zeug«, sagte Carl. »Hier ist kein Serienmörder festgenommen worden. Ebensowenig hat man eine Bande von Terroristen

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