Über jeden Verdacht erhaben
die über den Kurs beim Echo des Tages in den kommenden vierundzwanzig Stunden entscheiden sollte.
Wie erwartet wurde die Jagd auf Kurden sofort zur Hauptfrage der Führungsgruppe. Der neue Chef, der die früheren Kurden-Jagden nicht miterlebt hatte, da er zu der Zeit wohl Diplomat oder Politiker gewesen war, ließ sich sofort von dem erregten Optimismus der Kriminalreporter anstecken. Leider hatten diese ein eigenes und journalistisch höchst wirkungsvolles As im Ärmel, nämlich ein Interview mit dem Reichspolizeichef, bei dem dieser in unzweideutigen Formulierungen die Kurden-Razzien als sowohl notwendig wie erfolgreich bezeichnete.
Damit waren die meisten Einwände unbrauchbar, die Erik Ponti hatte vorbringen wollen, beispielsweise der Hinweis, daß keine der dreißig festgenommenen Personen von einem Staatsanwalt verhaftet worden sei. Man konnte diese Leute zwar ohne den Beschluß eines Staatsanwalts ohne weiteres festhalten, da sie Ausländer waren und des Terrorismus verdächtig. Wenn es aber gegen einen von ihnen ein begründetes Mißtrauen gab, hätte der Betreffende doch verhaftet werden müssen?
Dagegen stand das selbstverständliche Argument, daß der Reichspolizeichef persönlich und damit on the record zunächst im Echo des Tages den Erfolg der Operation bestätigen würde.
Dagegen gab es keinen tragfähigen Einwand. Unabhängig davon, ob der Reichspolizeichef recht hatte oder nicht, würde man das Interview mit ihm senden. Wenn er recht hatte, war es interessant. Wenn er sich irrte, war das jedoch ebenfalls interessant, und in dem Fall konnte man ihn erneut interviewen und ihn fragen, weshalb er unrecht habe. Und in dem Fall war die Entschuldigung dafür gleich mitgeliefert, daß man falsche Angaben gesendet hatte, da man dem Reichspolizeichef die Schuld zuschieben konnte. Was auch wieder interessant war.
Aus dieser logischen Falle gab es kein Entrinnen. Das Echo des Tages würde sich also der vorherrschenden Version in den anderen Medien anschließen, ob diese nun wahr oder falsch war.
Erik Ponti sah sich genötigt, versuchsweise einen Kompromißvorschlag vorzulegen. Er setzte sich lange dafür ein, man müsse zumindest die Ergebnisse früherer Kurden-Jagden rekapitulieren, um sich so vorsichtig gegen ein denkbares, um nicht zu sagen wahrscheinliches Fiasko zu wappnen.
Sein Vorschlag erregte am Tisch keinerlei Begeisterung, und als der neue Chef das entdeckte, sagte er sofort, man dürfe »nicht das Tempo verlieren«.
Erik Ponti wollte die Schlacht schon verloren geben, als ihm ein letzter desperater Einwand einfiel. Wie es schien, waren alle Informationen, die bisher den Medien zugeleitet worden waren, von einer einzigen Quelle verbreitet worden, nämlich dem Gewaltdezernat der Polizei in Stockholm. Und wer dort die Hauptquelle war, ließ sich unschwer ausrechnen, nämlich für die Konkurrenten wie offenbar auch für das Echo des Tages ein und derselbe Mann.
Aber. Die Jagd nach Terroristen sei ja eine Aufgabe der Säpo. Und die Säpo habe, soviel man wisse, überhaupt nicht an irgendeiner Kurdenjagd teilgenommen, was völlig neu sei, wenn man an ähnliche Ereignisse in früheren Jahren denke. Von der Säpo war kein Muckser zu hören gewesen. Früher hätten die Säpo-Leute nicht gezögert zu plaudern, vorausgesetzt, man erklärte sich bereit, sie nicht mit Namen zu zitieren. Sie hätten so gut wie jede Aktion bestätigt, solange sich diese gegen Ausländer richtete. Doch jetzt dieses Schweigen. Weshalb? Sei das denn kein interessantes Warnsignal?
Den Kollegen kamen jetzt einige Zweifel, doch das nur für kurze Zeit. Die Kriminalreporter erklärten, seit Hamiltons Amtsantritt gehe die Säpo ganz anders vor. Kein einziger Säpo-Mitarbeiter dürfe heute noch anonym mit den Medien sprechen. Das sei nur noch Hamilton selbst erlaubt. Und der tue es nie.
Dem neuen Chef kam jetzt ein satanischer Einfall. Er schlug vor, Erik Ponti solle Hamilton anrufen, um diesen um einen Kommentar zu bitten. Selbst ein »no comment« wäre interessant. Und als alter Hofberichterstatter habe Erik ja vielleicht größere Möglichkeiten als andere…
Zu seinem Erstaunen gelang es Erik Ponti, sich zu beherrschen. Er erkannte, daß er in der Falle saß. Er selbst hatte den Einwand des mangelnden Engagements der Säpo vorgebracht. Im Moment war die Redaktion eine durchgehende Elefantenherde. Wenn er sich jetzt vor sie hinstellte und warnend einen Zeigefinger hob, würde das nur damit enden, daß man ihn
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