Über jeden Verdacht erhaben
konkrete Fragen zu stellen, und außerdem war die Gefahr höchst gering, daß er Hamilton tatsächlich direkt erwischte. Folglich breitete er in ironischer Resignation die Hände aus, stand auf, trat ans Telefon und tippte Hamiltons Durchwahlnummer ein. Wie erwartet nahm die Sekretärin ab. Er nannte leicht schwermütig seinen Namen und fragte ohne jeden Anflug von Hoffnung, ob er den Generaldirektor sprechen könne. Das Schweigen im Raum war angespannt und amüsiert zugleich.
Er legte die Hand auf die Sprechmuschel und äffte die Sekretärin nach: »Der Generaldirektor sitzt gerade in einer Besprechung, aber ich werde sehen, ob ich ihn stören kann.« Dann stand er seufzend mit dem Hörer in der Hand da und wartete auf die Nachricht, er solle sich lieber an einem anderen Tag melden.
Die anderen Anwesenden sahen jedoch plötzlich, wie er sich streckte und räusperte.
»Hallo, hej«, sagte er verlegen. »Wie gut, daß ich dich erwische. Ich habe zwei konkrete Fragen. Erstens: Wann kann ich dich sprechen? Es ist ziemlich dringend. Zweitens: Hattest du in Lund einen Leibwächter mit, der…«
Er ruderte hilflos mit einem Arm herum, bis Anna Wikström desperat auf ihre Tafel mit der Skizze des Korridors im Wohnheim von Umeå zeigte.
»Ja, also… einen Mann, der Carsten Johnsén heißt?«
Seine Kollegen sahen ihn gespannt an, als er eine sehr kurze Antwort erhielt, die negativ war oder ihn abfertigen sollte. Er legte langsam den Hörer auf und blieb einige Augenblicke mit der Hand auf der Gabel stehen, bis er sich mit schwerfälligen Bewegungen umdrehte. Sein Gesichtsausdruck zeigte etwas völlig anderes als die Folgen einer Abfuhr.
»Ja…«, begann er verwirrt. »Der Generaldirektor will mich in zehn Minuten sprechen. Zweitens. Und erstens war ihm der Sinn der Frage durchaus klar. Er sagte, der einzige Leibwächter, der in Umeå, aber auch in Lund dabeigewesen sei, sei ein gewisser Kriminalinspektor Carsten Johnsén.«
»Logisch gesehen ist er also der Täter«, sagte Willy Svensén ohne jede Spur von Triumph oder Begeisterung.
»Ja, natürlich«, sagte Rune Jansson, dem ebenfalls keinerlei Triumphgefühl anzusehen war. Er ging zu seinem Sessel zurück und sank darauf nieder. »Wir scheinen es mit einer so spezifischen Tötungstechnik zu tun zu haben, daß es bis jetzt in der schwedischen Kriminalgeschichte nur zwei Fälle gibt. Kriminalinspektor Carsten Johnsén ist fähig, so zu töten. Er war beide Male anwesend. Außerdem kann er einen Menschen aus dreihundert Metern Entfernung in den Kopf schießen. So etwas nannte man früher doch wohl einen halben Beweis.«
»Logisch betrachtet haben wir ja auch noch Hamilton selbst als Kandidaten«, bemerkte Roger Jansson ohne Überzeugung.
»Ja, daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Rune Jansson mit einem Seufzen. »Der Mörder muß bei der Säpo sitzen oder zumindest Zugang zu den sensibelsten Informationen der Säpo haben. Außerdem muß er die verschiedensten Zirkuskunststükke beherrschen und zu bestimmen Zeiten an bestimmten Orten gewesen sein. Das trifft im Augenblick auf zwei Personen zu. Nun ja, um konkret zu werden, habt ihr was dagegen, daß ich zur Orientierung diesen Säpo-Chef vernehme, und zwar ohne Zeugen und Tonbandgerät?«
Die letzte Bemerkung wurde von einem ironischen Grinsen begleitet. Es war schon eine recht bizarre Vorstellung, daß er Anna oder Roger zu Hamilton mitnahm, sein Tonbandgerät auf einem der britisch wirkenden Holztische mit den Messingbeschlägen aufbaute und sagte, um diese Zeit, so und so, beginnt die Vernehmung von Generaldirektor Hamilton, Zeuge des Verhörs ist… die Vernehmung wird durchgeführt von…
»Dann verfahren wir zunächst einmal so«, schloß Willy Svensén. »Ihr beiden nehmt euch noch einmal diesen Alarmtechniker vor und dann natürlich diesen Carsten Johnsén. Rune spricht mit dem Säpo-Chef. Aber dann bleibt noch die knifflige Frage, was mit Västerås ist.«
»Ich weiß«, sagte Rune Jansson leicht resigniert. »Aber da sitzen wir in der Zwickmühle. Das Gesetz verbietet uns, den Kollegen in Västerås zu erzählen, weshalb wir der Ansicht sind, daß dieser Lautenspieler mit Gift ermordet worden ist. Das Gesetz verbietet es uns. Und wir können die Kollegen und ihren Staatsanwalt ja kaum dazu bringen, eine Festnahme, ein Verhör und eine Hausdurchsuchung zu genehmigen, ohne das zu erklären, was wir nicht erklären dürfen. Das ist leider unmöglich.«
»Aber wenn wir sagen, wir wüßten , daß
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