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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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ausreden. »Solche Gefühle würden ihr total gegen den Strich gehen.«
    »Ich weiß.«
    Und dann platzt aus mir heraus, was ich mir verboten habe zu denken, geschweige denn auszusprechen: »Sie ist in einem Sarg, Toby.« Das sage ich laut, ich kreische es geradezu – die Worte machen mich schwindelig, klaustrophobisch, als ob ich aus meinem Körper springen müsste.
    Ich höre ihn nach Luft schnappen. Als er spricht, ist seine Stimme so schwach, dass ich ihn beim Geräusch unserer Schritte kaum hören kann. »Nein, ist sie nicht.«
    Das weiß ich auch. Ich weiß beides auf einmal.
    Toby umfasst meine Hand fester.
    Am Flying Man’s quillt der Himmel durch die Lücke im Blätterdach. Wir setzen uns auf einen flachen Felsen und der Vollmond scheint so gleißend auf den Fluss, dass das Wasser wie reines, dahineilendes Licht wirkt.

    »Wie kann die Welt weiterhin so glänzen«, sage ich und lege mich unter einen von Sternen trunkenen Himmel.
    Toby antwortet nicht, schüttelt nur den Kopf und legt sich neben mich, nah genug, um mich in den Arm zu nehmen, nah genug, um meinen Kopf auf seine Brust zu drücken, wenn er so was wollte. Aber er tut es nicht und ich tue es nicht.
    Dann fängt er an zu reden, seine leisen Worte lösen sich wie Rauch in der Nacht auf. Er spricht davon, dass Bailey die Hochzeitszeremonie hier am Flying Man’s abhalten wollte, damit sie nach ihrem Eheversprechen ins Wasser springen konnten. Ich stütze mich auf meine Ellenbogen und sehe es im Mondschein so deutlich vor mir wie im Film, ich sehe Bailey lachend in einem klatschnassen orangefarbenen Hochzeitskleid, wie sie die Gesellschaft zurück zum Haus führt, ihre unbekümmerte Schönheit ist so enorm, dass sie ihr ein paar Schritte vorauseilen muss, um ihre Ankunft zu verkünden. In dem Film aus Tobys Worten sehe ich, wie glücklich sie gewesen wäre. Plötzlich weiß ich einfach nicht, wo all dieses Glück, ihr Glück und unseres, jetzt hingehen soll, und ich fange an zu weinen. Und dann ist Tobys Gesicht über meinem und seine Tränen fallen auf meine Wangen, bis ich nicht mehr weiß, wem welche gehören. Ich weiß nur, dass alles Glück weg ist und dass wir uns wieder küssen.

    (Gefunden auf dem Ast eines Baumes an der Highschool von Clover)

11. Kapitel
    JOE FONTAINE KLOPFT. Ich liege wach im Bett und erwäge einen Umzug an die Antarktis, damit ich von diesem Schlamassel mit Toby wegkomme. Auf den Ellenbogen gestützt schaue ich aus dem Fenster in das frühe, knöcherne Licht.
    Joe ist unser Hahn. Seit seinem ersten Besuch trifft er jeden Morgen bei Sonnenaufgang mit seiner Gitarre, einer Tüte Schokoladencroissants aus der Bäckerei und ein paar toten Krabbeltieren für Big ein. Wenn wir noch nicht auf sind, lässt er sich selbst ins Haus, bereitet eine Kanne Kaffee so dick wie Teer und setzt sich an den Tisch, wo er auf der Gitarre melancholische Akkorde anschlägt. Ziemlich häufig fragt er mich, ob ich nicht Lust habe, mit ihm zu spielen, worauf ich Nein antworte, worauf er in Ordnung erwidert. Eine höfliche Pattsituation. Rachel hat er nicht wieder erwähnt, was mir ganz recht ist.
    Das Seltsamste an alldem ist, dass es gar nicht seltsam ist, für keinen von uns. Sogar Big, der kein Morgenmensch ist, tappt in seinen Puschen die Treppe herunter, begrüßt Joe mit einem burschikosen Schlag auf den Rücken und stürzt
sich nach Inspektion der Pyramiden (die Joe bereits überprüft hat) wieder in ihr Gespräch vom vorherigen Morgen und seine obsession du jour: explodierende Kuchen.
    Big hat gehört, dass eine Frau in Idaho ihrem Mann einen Geburtstagskuchen backte, als das Mehl sich entzündete. Es geschah während einer Trockenperiode, deshalb war die Luft statisch aufgeladen. Die Frau stand in einer Mehlwolke, und weil sie mit der Hand etwas berührte und eine Art elektrischen Schlag bekam, explodierte es: eine unbeabsichtigte Mehlbombe.
    Nun will Big das Ereignis zum Wohle der Wissenschaft nachstellen und versucht, Joe für das Projekt zu gewinnen. Grama und ich haben uns aus naheliegenden Gründen unerbittlich dagegen ausgesprochen. »Wir hatten genug Katastrophen, Big«, hat Grama gestern ganz energisch gesagt. Die Menge Gras, die Big geraucht hat, macht das Bild von einem explodierenden Kuchen vermutlich lustiger und faszinierender, als es in Wirklichkeit ist, aber irgendwie scheint Joe ebenso verzaubert von dieser Vorstellung zu sein.
    Es ist Sonntag, ich muss in ein paar Stunden im Deli sein. In der Küche herrscht emsiges

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