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Über Nacht - Roman

Über Nacht - Roman

Titel: Über Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Aber solange ich lebe –», sein Griff wurde fester, er räusperte sich. «Kein Wort. Ich habe es Fausto versprochen.»
    Das Gewitter verzog sich; der Wind peitschte es fort. Ich war eine Weile damit beschäftigt gewesen, offene Fenster und Türen zu verschließen. Als das Grollen nicht näher kam, öffnete ich sie wieder. Der Schmerz in der Hand hatte nachgelassen.
    Ich legte mich wieder auf die Eckbank, wollte mich ausruhen, bevor ich gegen Mitternacht meinen zweiten Rundgang machen würde. Wieder rief ich Vittorio an. Ich redete aufs Band, er möge mich zurückrufen. Es sei dringend.
    Lange hielt ich es liegend nicht aus; ich stellte die Schnabelbecherin die Spülmaschine, entfernte Etiketten von alten Medikamentenschiebern, nähte Knöpfe an Hemden. Einmal klingelte Carelli; er hatte so geschwitzt, daß er nach einem neuen T-Shirt verlangte. Ich stand vor seinem Schrank und wußte nicht mehr, wonach ich suchte. Als mich Carelli bat, seine Beine mit einer kühlenden Creme einzureiben, griff ich nach der Zahnpaste.
    Â«Müde?»
    Ich nickte.
    Â«Wie ist das passiert?» Er zeigte auf meine verbundene Hand.
    Â«Verbrannt.»
    Wir schwiegen beide, während ich ihn mit einer Hand massierte. Im oberen Stockwerk schrie eine Frau.
    Â«Was hat sie denn?» fragte Carelli nach einer Weile.
    Â«Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es nur, weil sie das Hörgerät herausgenommen hat.»
    Â«Die schreit doch ständig. Die hat Hummeln im Arsch.»
    Marta fiel mir ein, ihre Zerstreutheit. Vor ein paar Tagen hatte sie ein Hörgerät irrtümlich mit Wasser gereinigt; es funktionierte nicht mehr. Sie mußte ein neues kaufen.
    Ich ging ins Bad, um mir die Hand zu waschen. Die Kompressionsbinde hatte sich gelockert, auf der Innenseite war sie feucht. Ich nahm sie ab, betrachtete die Bläschen, die sich an den Fingerkuppen gebildet hatten.
    Â«Warum sind Sie nicht zu Hause geblieben», sagte Carelli, «so können Sie doch nicht richtig arbeiten.»
    Lieber hier als bei Vittorio und Mauro, dachte ich und erschrak. Mauro. Fausto. Ich verfehlte die Türklinke.
    Â«Die Badezimmertür», rief Carelli, als ich schon fast auf dem Gang draußen war. Ich ging noch einmal zurück und machte sie zu.
    Zum ersten Mal seit ich in diesem Heim Nachtdienste verrichtete, ließ ich einen Rundgang aus. Ich saß auf dem WC, den Kopf in die Hände gestützt. Wenn es irgendwo klingelte, trocknete ich schnell die Augen mit Toilettenpapier. In den Zimmern vermied ich es, das große Licht einzuschalten; für einen Vorlagenwechsel oder ein paar beruhigende Worte reichte die Gangbeleuchtung aus.
    Es war fast drei Uhr früh, als mich Vittorios Nachricht erreichte, er sei jetzt zu Hause. Ich rief sofort an. Er war freundlich, ich schwieg. Den Abend, erzählte er, habe er mit einem Kunden verbracht. Der wolle einen Mollino-Sessel kaufen. «Mir blutet das Herz», sagte Vittorio. Ich erinnerte mich, daß Vittorio seit Jahren hinter einem anderen Mollino-Stuhl her war, einem Modell aus den vierziger Jahren, dessen Rückenlehne und Sitzfläche der Form eines gespaltenen Hufes nachgebildet war. Mollino hatte das Möbel für den Mailänder Architekten Gio Ponti entworfen, den Vittorio verehrte.
    Â«Er hat bereits angezahlt, ich werde wirklich verkaufen», sagte Vittorio.
    Eine Weile war es still in der Leitung; ich hörte, wie er atmete. Dann öffnete er eine Mineralwasserflasche; es zischte. «Ich mach’ uns ein gutes Frühstück, wenn du kommst.»
    Â«Ja», sagte ich und legte auf.
    Ich betrachtete meine gerötete Hand und begann zu weinen.

XX
    Davide kam zum Frühstück ins Hotel. «Es ist nicht so, wie du meinst; ich wollte nicht, daß meine Mutter mitkommt, aber sie ließ sich nicht abwimmeln. Es war nicht einmal sicher, obsie überhaupt nach Rom kommen würde. Und daß sie sich Hoffnungen macht, wenn ich mit einer Frau da bin, dafür kann ich nichts.»
    Â«Du bist ein Feigling,» sagte Irma, «ich hab’ immer geglaubt, Richard ist der Feigling in eurer Beziehung, aber du bist es genauso.»
    Â«Welcher Sohn ist bei seiner Mutter kein Feigling», sagte Davide.
    Irma bestrich eine Scheibe Weißbrot mit Erdbeermarmelade, die aussah wie hellbraune Schuhcreme. «Du lockst mich nach Rom, obwohl du weißt, daß Rino nicht mehr hier ist.»
    Â«Das stimmt nicht; ich habe bis gestern

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