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Über Nacht - Roman

Über Nacht - Roman

Titel: Über Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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heraussuchen müssen, nämlich Lennons
Double fantasy
-Album aus den achtziger Jahren. Nach dem Lied
Every man has a woman who loves him
legte Mauro seine CD auf: Yoko Onos
Every man has a man who loves him
. Vittorio war mir nicht von der Seite gewichen und hatte meine Haare gestreichelt.
    Â«Dir ist doch nicht etwa schlecht geworden», hörte ich ihn auf dem Gang draußen sagen. Ich drehte den Wasserhahn zu, lehnte mich gegen die kalten Fliesen.
    Ich höre für Vittorio an den Schultern auf, dachte ich.
    Während ich mir die Hände vors Gesicht hielt, spürte ich einzelne Tropfen an mir abrinnen.
    Â«Ich komm’ schon.»
    Vittorio hatte Orangensaft gepreßt, eine kleine Tischdecke über die Anrichte gelegt, Brioche besorgt; es lagen sogar Servietten auf. Seine Sorgfalt war mir jetzt zuwider.
    Im Hof flatterten die Tauben empor; ich erkannte sie am Flügelschlag. Sie landeten wenig später auf der Dachrinne des Nachbarhauses.
    Â«Ich hau’ ein paar Tage ab», sagte ich und zeigte Vittorio meine Hand, erzählte. Er tastete vorsichtig die Blasen an meinen Fingern ab. In seinem Schweigen mutmaßte ich Erleichterung.Als es piepste, stand ich auf, um die Spülmaschine auszuschalten.
    Wie er die Beine übereinanderschlägt, dachte ich.
    Ãœberall waren leere Bierflaschen. Mauro war hiergewesen, vielleicht nicht nur Mauro.
    Wir sahen uns an. Jetzt, dachte ich. Aber ich sagte nichts, setzte mich wieder, nahm eine Scheibe Toastbrot, die längst hart geworden war.
    Mir fiel der Film
Le fate ignoranti
von Ferzan Ozpetak ein, den wir uns schon zweimal angesehen hatten. Er spielt in Testaccio. Die Frau erfährt erst nach dem Unfalltod ihres Mannes, daß ihr Partner eine Beziehung zu einem anderen Mann gehabt hat. Es ist ein harmloser Film ohne Sex in Parks, Klappen und Darkrooms. Ich hatte Vittorio nach dem Namen der Hauptdarstellerin gefragt. Margherita Buy sei mit dem Regisseur und Schauspieler Sergio Rubini verheiratet gewesen, hatte Vittorio erzählt. Während des Films war Vittorio aufgestanden, um einen Bleistift zu holen und den Namen
Nazim Hikmet
aufzuschreiben. Es war dieser Gedichtband von Hikmet gewesen, der die beiden Männer im Film zusammengeführt hatte.
    Ich dachte an unser Auto, von dem Marta behauptet hatte, es sei gegenüber der Galleria d’Arte Moderna gestanden; ich kannte nur den Monte Caprino unter dem Kapitol, das Gerede über die bezahlten Männer, die sogenannten
marchette
.
    Dieser Mauro hatte einmal auf den Anrufbeantworter gesprochen, sie träfen sich alle zusammen in der Muccassasina. Vittorio war verlegen gewesen, als ich ihn gefragt hatte, wo denn dieses Lokal sei, ich hätte nie davon gehört. «Nichts Besonderes, ein neuer Schuppen.»
    Er hatte wohl vergessen, frühzeitig das Band zu löschen.
    Die kleinen Fehler. Unachtsamkeiten. Blicke.
    Kassabons. Restaurantrechnungen. Die Stempel auf dem Handrücken.
    Warum war Vittorio in der Libreria Babele gewesen? Er las doch sonst keine Bücher. Nicht einmal das Buch von Hikmet hatte er sich besorgt. Oder hatte er es gekauft und verschenkt?
    Das Bramante und das Asino cotto. Wir besuchten immer andere Bars, andere Restaurants. «Ich will nicht an die Arbeit erinnert werden», hatte Vittorio geantwortet. Die potenziellen Käufer als Tarnung. Gespräche über die Möbel. Philosophische Abhandlungen über das Sitzen. Die Haltung des Schöpfers. Der Stuhl als stützendes Skelett zwischen Himmel und Erde. Der war für die «Kunden». Mit mir teilte er den Tisch. Der von vornherein alles zweiteilt: Unterleib, Beine und Füße sind dem Blick entzogen. Und das Bett. In dem wir uns der Schwerkraft ergeben, damit uns die Liebe nicht überfällt.
    Â«Was ist?» fragte Vittorio.
    Ich verstand nicht, sah ihn an.
    Â«Du hast doch etwas gesagt.»
    Â«Wie war das mit dem Sitzen», sagte ich, «mir fällt dein Lieblingszitat nicht mehr ein.»
    Â«Wie kommst du jetzt darauf?»
    Â«Manches erschließt sich eben erst im nachhinein.»
    Vittorio sah mich an. Breitbeinig saß er nun vor mir, ließ mich nicht aus den Augen. Wartete er darauf, daß ich ihm zuvorkommen würde?
    Â«Weißt du, die Langsamkeit der Alten – die färbt auf mich ab», sagte ich und bestrich eine neue Scheibe Toastbrot, um meine Hände zu bewegen.
    Â«Laß mich das machen», sagte Vittorio.
    Â«Dieses passive Absinken auf den

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