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Über Nacht - Roman

Über Nacht - Roman

Titel: Über Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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fliegt. Blitzschnell müsse die eine Maschine dann tausend Fuß steigen, damit es zu keiner Kollision kommt.
    Â«Was glimpflich ausgeht, ist ja nicht der Rede wert; man will schließlich die Fluggäste nicht in Panik versetzen», sagte Irma.
    Â«Jetzt beruhige dich.» Davide griff nach Irmas Hand, drückte sie.
    Was mach’ ich mit Rino, dachte Irma, was mache ich mit Friedrich.
    Sie standen eine Weile allein am Förderband, blickten den Gepäckstücken hinterher. «Das sind doch die falschen Leute»,sagte Irma nach einer Weile. Sie hatten es verabsäumt, noch einmal auf den Monitor zu blicken: Die Gepäckausgabe war auf ein anderes Band verlegt worden. Alle Flugpassagiere des Fluges Rom–Wien waren schon fort. Irmas und Davides Koffer drehten einsam ihre Runden.

XXI
    Marta war etwas früher gekommen, um mich abzulösen. «Mensch, nimm dir frei», hatte sie gesagt, «das mußt du doch ausnützen.» Ich meldete mich krank.
    Auf dem Weg nach Hause ging ich am Restaurant vorbei, in dem der Küchengehilfe arbeitete, aber sowohl Restaurant als auch die danebenliegende Bar waren noch geschlossen; man hatte noch nicht einmal die Läden hochgezogen. Auf dem Gehsteig türmten sich Kisten und Schachteln, überall standen leere Dosen und Flaschen.
    Ich dachte daran, ein paar Tage zu meiner Mutter nach Bozen zu fahren, einen Abstecher nach Vicenza zu machen und Alberto im Centro rapaci aufzusuchen, vielleicht brauchten sie jemanden.
    Die Steineichen vor dem Bahnhof Termini waren unbewohnt, kein Star weit und breit. Über den Dächern hing Dunst.
    Ich maß die Männer, die mir entgegenkamen, mit Blicken. Als einer lächelte, erschrak ich und schaute zu Boden.
    Wie kann man nur so leichtgläubig sein.
Lucchis Satz hatte mich durch den Nachtdienst begleitet, er ging mir auch jetzt nicht aus dem Sinn.
    Die Frau, die als letzte in den Bus gestiegen war, klappte ihr Handy auf und schaute auf das Display wie in einen Taschenspiegel.Ich wartete darauf, daß sie sich die Lippen nachziehen würde; sie trug an jedem Finger einen Ring, nur die Daumen waren nackt. Neben ihr stand ein bieder gekleideter junger Mann, dessen Tasche mit Sicherheitsnadeln und Ketten verziert war.
    Ich saß gegen die Fahrtrichtung und sah aus dem Fenster. Es waren die immergleichen Filmplakate zu sehen, aufgerissene Münder mit makellosen Zähnen. Nur einmal entdeckte ich Speichelfäden, die sich kaum sichtbar von der oberen zur unteren Zahnreihe zogen. Jennifer Lopez’ Lächeln erinnerte mich an die Altweibersommer, wenn sich die Spinnweben von einem Grashalm zum nächsten ziehen.
    Ich fuhr zwei Stationen weiter als sonst. Müde und erschöpft verließ ich den Bus, bog in die falsche Straße ein, lief zweimal zurück zum kleinen Platz, dann erst bemerkte ich das Geschäft. Vittorio war öfter hierhergefahren, um die neuesten Architektur- und Designmagazine zu besorgen, die es bei unserem Kiosk nicht gab.
    So früh am Morgen kaufen die Leute vor allem Tageszeitungen. Vor den Regalen, auf denen die Hochglanzhefte lagen, blätterte ein einzelner älterer Herr in einer Illustrierten. Als sich die Schlange an der Kasse lichtete, griff ich nach
Le ore Privè
, packte ein
MEN
-Heft drauf und nahm gleich noch die neueste
babilonia
-Ausgabe dazu. Die Magazine legte ich unter der
Repubblica
auf das Laufband. Ein Mann mit Anzug und Sonnenbrille betrat das Geschäft, nahm den
Corriere della Sera
vom Stapel und stellte sich neben mich. Ich wich den Blicken der Kassierin aus, indem ich mich auf mein Portemonnaie konzentrierte, klemmte die Magazine unter den Arm, zahlte mit einem viel zu großen Schein und steckte das Restgeld in irgendein Seitenfach. Der Mann, der eben noch die Schlagzeilen der ersten Seite überflogen hatte, drehte sich nun nach mir um und schaute mir nach.
    Zu Hause verschwand ich sofort im Bad und versteckte die Pornohefte unter den Handtüchern, dann duschte ich, damit Vittorio mich nicht weinen hörte. Er klopfte mehrmals gegen die Tür, um mir zu sagen, daß der Kaffee fertig sei. «Warum sperrst du zu?» rief er.
    Ich stand da, sah an mir herab. Mein Wahrnehmungsvermögen hat versagt, dachte ich, während der Wasserstrahl an der gleichen Stelle den Rücken massierte.
    Vor ein paar Wochen, fiel mir ein, waren wir zu dritt im Wohnzimmer gesessen. Vittorio hatte für Mauro aus dem ungeordneten CD-Stapel eine Disc

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