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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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erscheinen.
    »Und ich möchte Ihnen außerdem meinen
Onkel Sven vorstellen, Miss Horsefall. Er ist aus Stockholm gekommen, um an der
Hochzeit meiner Tochter teilzunehmen. Er ist im November vorigen Jahres 102
Jahre alt geworden.«
    »Er hat sich aber verdammt gut
gehalten«, war das übereinstimmende Urteil sämtlicher Anwesenden. Onkel Sven,
dessen fremdsprachiges Wissen sich auf einen Wortschatz von höchstens 40
Wörtern beschränkte, von denen er die meisten nicht richtig aussprechen konnte,
stand bereits im Mittelpunkt der Versammlung. Inzwischen ragte sein Schnurrbart
steil in die Höhe. Seine runden kleinen Wangen glänzten wie zwei
Weihnachtsäpfel. Seine seeblauen Augen strahlten, als er seinen Kennerblick
über Miss Hilda und ihre Amethystbrosche gleiten ließ.
    Die Dame selbst wünschte sich sicher in
diesem Augenblick, sie hätte die letzte Nacht mit ihren unbequemen
Lockenwicklern im Haar verbracht. Immer wieder fuhr sie sich mit den Händen
über ihr Haar, damit nur ja keine widerspenstigen Strähnen aus dem Haarnetz
hervorlugten, und klagte darüber, keine Zeit gehabt zu haben, um sich
ordentlich auf die Gesellschaft vorzubereiten.
    »Iss denken, du ssehr ssön«,
versicherte Onkel Sven ihr, während er eine Gabelladung Schokoladenkuchen unter
seinem Schnurrbart verschwinden ließ. »Sspassieren vir ein bissen, hah?«
    »Ja, warum geht ihr beide nicht ein
bißchen nach draußen und unterhaltet euch nett miteinander?« schlug die
angeheiratete Großnichte Jolene vor, die sich möglicherweise bereits selbst als
stolze Besitzerin der Horsefall-Farm sah. »Du brauchst eine Verschnaufpause,
Tante Hilda. Ich werde die Festung hier schon für dich halten.«
    »Vielleicht würdest du gern das
Geschirr spülen gehen, Jolene, da du letztens so ein Theater gemacht hast und
es unbedingt allein machen wolltest«, schlug Marie vor. »Ich schenke gern
weiter Kaffee ein.«
    »Dann hör man gefälligst auf zu
quatschen, un’ schütt mir was ein«, sagte Henny mit erstaunlicher Autorität. »Danach
kannste ‘ne neue Kanne machen un’ ‘nen Kessel mit Teewasser aufsetzen - der
Pfarrer mit seiner Frau kommt. Jolene, du kanns’ die Teller abwaschen un’
Kuchen schneiden. Na los, ihr zwei.«
    Erstaunt über diese überraschende
Wendung setzten sich Jolene und Marie in Bewegung. Miss Hilda blinzelte zuerst
ungläubig, begrüßte dann den Pfarrer und dessen Frau als erste, um zu zeigen,
wer hier die Herrin im Haus war, und nahm dann Sven Svensons Arm. Shandy sah
seinen Augenblick für gekommen.
    »Ich glaube, Professor Svenson und ich
werden die beiden Senioren begleiten und ebenfalls etwas, eh, Luft schnappen«,
bemerkte er zu Jolene, die neben ihm stand. »Als Vorsichtsmaßnahme sozusagen.«
    Er sagte nicht, wogegen diese
Vorsichtsmaßnahme gedacht war, und Jolene, die unbedingt die Frau Pfarrer mit
Kuchen beglücken wollte, nickte ihm nur abwesend zu. Die kleine Prozession
setzte sich in Bewegung. Onkel Sven ging schnurstracks auf die Scheune zu.
Thorkjeld stellte ihn auf schwedisch zur Rede und versuchte ihm klarzumachen,
daß Miss Hilda eine anständige Frau sei, bei der man nicht einfach so mir
nichts dir nichts zur Sache schreiten durfte. Thorkjeld erinnerte ihn außerdem
daran, daß sie eigentlich vorgehabt hatten, sich den Runenstein anzusehen, bis
der Großonkel schließlich kapitulierte.
    »Was quatscht ihr beiden denn da?«
wollte Miss Hilda wissen.
    »Onkel Sven will den Runenstein sehen,
den der junge Swope gefunden hat. Er ist Spezialist für Runensteine.«
    »Hm. Ich möcht’ wetten, daß er trotzdem
von mir noch was lernen kann.« Sie drückte seinen Arm, woraufhin er einen
weiteren sehnsuchtsvollen Blick in Richtung Scheune warf.
    »Ist es Ihnen zu weit bis zum Stein?«
fragte Shandy, der versuchte, die Expedition wieder zu ihrem eigentlichen Ziel
zu lenken.
    »Hölle noch, warum soll’s mir zu weit
sein?« erwiderte sie, »obwohl ich lieber in’ner Kutsche hinfahren würd’, der
alten Zeiten wegen.«
    »Ich wollte, wir könnten Ihnen den
Gefallen tun, aber wenn der Weg so schlimm aussieht, wie Swope ihn beschrieben
hat, bezweifle ich, daß irgendein Fahrzeug, mit Ausnahme eines Bulldozers
vielleicht, dort durchkommt.«
    »Wär’ kein Problem, wenn Henny ‘n
Holzfällerweg offen gelassen hätt’, wie ich ihm’s immer gesagt hab’.«
    »Welchen Holzfällerweg, Miss Hilda?«
    »Der vonner alten Balaclava Road am alten
Lumpkin-Haus abzweigt. So war’s jedenfalls früher. Bin selbs’ schon

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