Ueberdosis
Teint, männlich-kantige Gesichtszüge, kohlenschwarze Augen. In seinem schwarzen Maßanzug, dem weißen Rüschenhemd und den schwarzen hochhackigen Stiefeletten sah er wie ein Flamencotänzer aus, der sich aus dem sonnigen Spanien ins graue, verregnete Köln verirrt hatte.
Markesch leerte sein Glas und wollte sich schon einen neuen Scotch bestellen, als Susanne Großmann auftauchte.
Er erkannte sie sofort an ihren langen goldblonden Haaren und dem golden schimmernden Teint. Sie kam mit weißen Schaftstiefeln und in einem engen weißen Rock durch den Regen, die Schöße ihres weißen Mantels flatterten im Takt der Windböen, und ihre Bluse glänzte wie Perlmutt. Natürlich war auch der Regenschirm, an dem der Wind mit unsichtbaren Händen zerrte, weiß wie die Unschuld.
Susanne Großmann war der Typ Frau, den Markesch für einen Engel gehalten hätte, wären ihm in seinen Jahren als Privatdetektiv nicht alle Illusionen abhanden gekommen. Wenn es auf der Erde überhaupt Engel gab, dann gehörten sie zu der gefallenen Sorte. Er signalisierte dem Keeper, daß er zahlen wolle, und erntete dafür ein Lächeln, das jeden Haifisch mit Neid erfüllt hätte.
»Zwei Scotch, zwei Telefonate – macht zweiundzwanzig Mark«, sagte der Keeper mit müder Stimme, die verriet, wie lästig ihm das Leben war. »Und sagen Sie ja nicht, daß Sie nicht vorhaben, das Lokal zu kaufen – Sie wären nicht der erste Sozialhilfeempfänger, der sich für besonders witzig hält.«
»Keine Sorge«, beruhigte Markesch und legte das Geld auf den Tresen. »Ich habe auf den ersten Blick erkannt, daß das hier ein billiges Lokal ist.«
Der Keeper nahm mit spitzen Fingern das Geld vom Tresen, warf es in die Kasse und wusch sich anschließend die Hände, als hätte er soeben eine hochinfektiöse Bakterienkultur berührt.
»Verschwinde, Sportsfreund. Du bist hier unerwünscht. Und sag den anderen Pennern, daß für sie das gleiche gilt.«
Markesch rutschte vom Hocker und nickte in Richtung der gestylten Langweiler. »Sag’s ihnen lieber selbst. Dann kannst du sie direkt in die Gosse bringen; du kennst ja den Weg.«
Er wandte sich ab und ging zur Tür. Susanne Großmann hatte den Hauseingang erreicht, aber der Flamencotänzer versperrte ihr den Weg. Gestikulierend sprach er auf sie ein. Susanne Großmann schüttelte den Kopf und versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen, doch er hielt sie am Arm fest und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.
Wenn er mit ihr flirten wollte, dann war es ein lausiger Versuch. Immerhin verschaffte der rabiate Flamencotänzer Markesch die Möglichkeit, als strahlender Held in Susanne Großmanns Leben zu treten.
Markesch riß die Tür auf, lief über die Straße und erreichte den Bürgersteig, als Susanne Großmann eingeschüchtert ihren Widerstand aufgab. Er packte den Spanier an der Schulter und drehte ihn herum.
»Langsam, Kleiner. Vielleicht solltest …«
Der Spanier schlug zu. Markesch riß den Kopf zur Seite, und die Faust streifte nur sein Ohr. Ehe der Spanier erneut zuschlagen konnte, rammte Markesch ihm das Knie zwischen die Beine. Er gurgelte, krümmte sich, stolperte zurück – und kam plötzlich wieder hoch, mit einem glitzernden Klappmesser in der Hand. Knurrend wie ein wildes Tier griff er an. Markesch wich aus, drehte sich halb und versetzte ihm in der Drehung einen wuchtigen Tritt gegen das Kinn.
Der Spanier kippte mit glasigen Augen nach hinten und stürzte in eine große Pfütze. Das Messer flog aus seiner Hand, landete klirrend im Rinnstein und fiel in einen Kanal.
»Verschwinde, Kleiner«, befahl Markesch, »ehe du dich ernsthaft verletzt.«
Keuchend stand der Spanier auf. In seinen Kohlenaugen funkelten Schmerz und Haß. Wütend schüttelte er die Faust und stieß irgend etwas auf Spanisch hervor, aber er wagte keinen neuen Angriff, sondern humpelte eilig davon, eine schwarze, durchweichte Wasserratte, die bald im Regen verschwand.
Markesch drehte sich zu Susanne Großmann um. »Alles in Ordnung?«
Sie nickte stumm, mit großen, furchtsamen Elfenaugen.
»Ich schätze, der Bursche war kein Freund von Ihnen. Was wollte er?«
»Ich weiß nicht. Ich kenne ihn nicht. Ich habe ihn noch nie gesehen. Irgendein Perverser. In dieser Stadt wimmelt es von Triebverbrechern. Ständig wird man belästigt. Danke, daß Sie mir geholfen haben.«
Sie lächelte. Ihr Lächeln wirkte gezwungen. Als wäre sie keineswegs erleichtert, daß er eingegriffen hatte. Sie lächelte wie jemand, der verdammt
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