Ueberdosis
verwirrt an. »Seine Uhr? Ja, ich glaube schon. Sicher. Ich fand sie geschmacklos, protzig, aber sie gefiel ihm. Vielleicht, weil sie eine Art Versöhnungsgeschenk war. Als Michael sich dieses Apartment nahm, hat seine Mutter wochenlang kein Wort mit ihm gesprochen. Sie war eifersüchtig auf alles, was Michael ihrem Einfluß entzog.«
»Auch auf Sie?«
»Auch auf mich.« Sie lächelte ironisch. »Vor allem auf mich. Aber warum fragen Sie nach der Uhr?«
»Sie ist verschwunden. Die Polizei hat Michaels persönlichen Besitz an seine Mutter zurückgegeben, aber die Uhr fehlte.«
»Vielleicht hat sich einer von Ihren Kollegen schon immer eine Rolex gewünscht«, sagte Susanne Großmann bissig.
»Die Kollegen bekommen ihre Rolex von den Hehlern«, erklärte Markesch. »Wenn sie einen Hehler schnappen, stellten sie ihn immer vor die Wahl: Knast oder Rolex.«
»Sie halten sich für besonders geistreich, nicht wahr?«
»Zumindest für geistreicher als Ihr spanischer Freund.«
Ihre Miene verdüsterte sich. »Der Kerl ist nicht mein Freund. Ich habe ihn noch nie gesehen. Was wollen Sie mir eigentlich unterstellen?«
»Auf keinen Fall, daß Sie die Wahrheit sagen.« Markesch trank aus und stellte das Glas auf den Mahagonitisch. »Der Scotch war gut, aber Lügen habe ich schon wesentlich bessere gehört.«
Sie deutete zur Tür. »Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen«, sagte sie kalt.
Die Kälte in ihrer Stimme erinnerte Markesch an Elvira Maaßen, und er fragte sich, ob sich Michael aus diesem Grund in Susanne Großmann verliebt hatte. Vielleicht war er der Typ Mann, der eine dominante Frau brauchte, weil dies das Frauenbild war, das ihn in seiner Kindheit geprägt hatte.
»Wissen Sie, daß Sie Elvira Maaßen sehr ähnlich sind?« fragte er, als er aufstand. »Wahrscheinlich verstehen Sie sich deshalb nicht mit ihr.«
»Verschonen Sie mich mit Ihrer billigen Psychologie.«
Markesch griff in seine Jackentasche und gab ihr seine Visitenkarte. »Rufen Sie mich an, wenn Sie es zur Abwechslung mit der Wahrheit versuchen wollen.«
Ihre Elfenaugen weiteten sich. »Sie sind kein Polizist! Sie sind Privatdetektiv!«
»Ich ziehe die Bezeichnung Schnüffler vor.« Er grinste. »Das macht alles viel familiärer.«
»Raus mit Ihnen! Verschwinden Sie aus meiner Wohnung! Sofort! Oder ich rufe die Polizei.«
»Das werden Sie nicht tun«, sagte er ruhig. »Weil Sie viel zuviel Angst haben, daß die Polizei herausfindet, warum Michael Maaßen sterben mußte.«
Es war nur ein Versuch, aber in ihren Augen las er, daß er ins Schwarze getroffen hatte.
»Und Sie sollten sich Gedanken über Ihren spanischen Freund machen«, fügte er hinzu. »Oder war er vielleicht Michaels Freund …? Wenn ja, dann würde ich an Ihrer Stelle verdammt vorsichtig sein. Sie wissen ja: Ein Junkie stirbt selten allein.«
Dann verließ er die Wohnung.
Aber er hatte kein gutes Gefühl.
Es machte ihm einfach keinen Spaß, einem anderen Menschen Angst einzujagen. Vor allem dann nicht, wenn es sich bei diesem anderen Menschen um einen wunderschönen gefallenen Engel wie Susanne Großmann handelte.
5
Der Regen hatte soweit nachgelassen, daß man nicht mehr fürchten mußte, beim nächsten Atemzug zu ertrinken. Markesch spürte eine leichte Benommenheit, die er Susanne Großmanns Tropicparfum zuschrieb. Allerdings konnte es auch am Scotch liegen, und da er bis auf die Tasse Kaffee im Regenbogen noch nichts gefrühstückt hatte, spazierte er an St. Aposteln vorbei Richtung Neumarkt, um bei McDonald’s auf der Hohe Straße seinen Rausch zu bekämpfen.
Es gab nichts Ernüchternderes als ein paar Cheeseburger.
In der Fußgängerzone, die sich zwischen Neumarkt und Dom erstreckte, schien halb Köln auf den Beinen zu sein. Die Schildergasse war ein wogendes Meer aus Schirmen aller Größen und Farben, als wären die Menschen von dem kollektiven Wahn gepackt, eigenhändig das Einkaufszentrum überdachen zu müssen. Nur die wenigsten machten sich die Mühe, gelegentlich einen Blick unter ihrem Schirm hervor zu riskieren, und Markesch war überrascht, daß es bei den ständigen Rempeleien und Zusammenstößen noch nicht zu einem allgemeinen Blutbad gekommen war.
Das muß an der rheinischen Fröhlichkeit liegen, dachte er.
McDonald’s war überfüllt, hauptsächlich von Schülern und Müttern mit ketchupverschmierten Kleinkindern, die ihre Hamburger und Fritten mit Knetmasse verwechselten. Aber vielleicht waren die Kinder die einzigen, die wirklich
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