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Ueberdosis

Ueberdosis

Titel: Ueberdosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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zumindest kennt er jeden, der jeden kennt. Außerdem brauche ich nähere Informationen über die Umstände von Michaels Tod. Enke, dachte er. Mein guter alter Freund Enke vom Rauschgiftdezernat. Er wird entzückt sein, mir helfen zu können. Bestimmt. Schließlich ist er mir noch etwas schuldig, und irgendwann kommt für jeden der Zahltag.
    Er dachte an das zerknitterte Foto, an das Mädchen mit den Elfenaugen und dem golden schimmernden Teint. Wenn es etwas gab, das Markesch liebte, dann waren es hübsche Mädchen.
    Zweifellos hatte der Tod ihres Freundes sie tief getroffen. Zweifellos brauchte Susanne Großmann dringend Trost.
    Markesch grinste. Er verließ das Uni-Center und ging durch den sturzbachartigen Regen zu seinem Wagen, ein Mann auf dem Weg zu seiner täglichen guten Tat.

 
4
     
    Susanne Großmann wohnte in einem vierstöckigen Neubau in der Mittelstraße, zwischen Hahnentor und St. Aposteln, nur einen Katzensprung vom Amerikahaus entfernt. Markesch fragte sich, wie es wohl war, umgeben von den Zeugen der älteren und neueren deutschen Geschichte zu leben, aber nach kurzem Nachdenken kam er zu dem Schluß, daß es keine Rolle spielte.
    Zumindest nicht für das Mädchen mit dem Elfenaugen.
    Sie konnte höchstens ein, zwei Jahre älter sein als Sophie, und wenn Sophie typisch für die junge Generation war, dann hielt Susanne Großmann das Amerikahaus vermutlich für den Vorposten von McDonald’s auf deutschem Boden. Vielleicht hatte sie sogar recht damit.
    Der Wolkenbruch hatte den Regenrinnen die praktische Bedeutung des Schlagworts von den Grenzen des Wachstums vor Augen geführt, und das Wasser stürzte in rauschenden Kaskaden von der aluminiumverkleideten Neubaufassade. Offenbar hatten Michael Maaßen und Susanne Großmann eine gemeinsame Vorliebe für Aluminium. Er war neugierig, wie sie ihre Wohnung eingerichtet hatte. Vor allem ihr Schlafzimmer. Und was war mit ihrem Bett? Verdammt, hoffentlich deckte sie sich nicht mit Alufolie zu!
    Enttäuschenderweise war sie nicht zu Hause. Er betrachtete die Namensschilder an der Klingelleiste. Das schlichte Großmann hob sich wohltuend von all den Dr. Sowiesos und Prof. Irgendwies ab, die in dem Aluminiumhaus residierten, als wäre das Gebäude eine Art Auffangbecken für die Akademikerschwemme.
    Markesch drehte sich um und versuchte, den Wasserfall – die vom Himmel stürzenden Fluten Regen zu nennen, hätte eine Flucht ins Reich der Illusionen bedeutet – mit den Blicken zu durchdringen. Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite entdeckte er ein großes, rechteckiges Gebilde aus getöntem Glas, buntem Neonlicht und hieroglyphenähnlichen Schriftzügen, das er zunächst für ein besonders abschreckendes Beispiel moderner Kunst hielt, bis ihm klar wurde, daß er es mit dem Fenster eines Post-New-Wave-Bistros namens Hero’s Glyphuß zu tun hatte.
    Ein idealer Beobachtungsposten.
    Er schlug den Kragen seiner Lederjacke hoch, watete über die Straße und betrat das Bistro.
    Die Inneneinrichtung war eine Orgie aus Neon, Rauchglas und – natürlich – Aluminium. Tische, Stühle und Barhocker standen auf Spaghettibeinen und schienen schon unter dem Gewicht seines prüfenden Blicks zusammenzubrechen. Gäste und Personal waren vom Typ gestylte Langweiler, die ihr Lebensglück in der Pose des leicht angeekelten Genießers gefunden hatten. Sie starrten ihn an, als wäre er irgendein besonders widerwärtiges Ungeziefer, das in ihr Paradies aus Neon und nekrophilem Charme eingedrungen war, aber ehe jemand den Kammerjäger rufen konnte, saß Markesch auf einem der Spaghettihocker und bestellte Scotch pur.
    Der Keeper, ein blutleerer Dandy mit einem Hauch Rose im hochtoupierten Haar, servierte den Scotch mit der Miene eines pensionierten Henkers, der seiner aktiven Zeit nachtrauerte. Markesch ließ sich davon nicht abschrecken; er verlangte das Telefon und wählte, während er das Aluminiumhaus gegenüber im Auge behielt.
    Im Café Regenbogen meldete sich Sophie. Sie murmelte zwar etwas von ›Sprechfunk mit Verstorbenen‹, erklärte sich dann aber doch bereit, eine Nachricht für Archimedes zu notieren. Markesch trug ihm auf, alles über die Familie Maaßen in Erfahrung zu bringen, was es Erfahrenswertes gab, und versprach Sophie, sie bei seinem nächsten Besuch mit Schnuller und Rassel zu beglücken.
    Sie legte kommentarlos auf.
    Markesch war blendender Laune. Er trank den Scotch, bestellte einen neuen und wählte eine andere Nummer.
    Eine heisere,

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