Ueberdosis
und wenn noch ein Dritter dazu käme, müßten wir sie wegen Überfüllung schließen. Enttäuscht?«
»Nein, warum? Ihr Bruder könnte doch ausziehen.« Er trank einen Schluck Scotch; der Whisky war gut. Im Vergleich zu diesem Tropfen war das Zeug, das er im Hero’s Glyphuß getrunken hatte, reine Salzsäure gewesen. »Wann haben Sie Michael zuletzt gesehen? An seinem Todestag?«
Sie wandte sich ab und schlüpfte aus ihrem Mantel, wie um seiner Frage zu entgehen. Langsam ging sie zum Fenster und sah hinaus, als hoffte sie, dort einen Ausweg zu finden.
»Ja«, sagte sie leise. »Am Vormittag. Wir waren zusammen in der Uni. Gegen eins fuhr ich nach Hause. Allein. Michael sagte, er müßte noch einige Bücher besorgen …« Sie blickte sich zu ihm um. »Warum fragen Sie mich das? Warum fragen Sie mich das immer und immer wieder? Ich weiß nichts von diesem Heroin. Michael ist tot. Genügt das nicht?«
In ihren Elfenaugen standen Tränen.
»Glauben Sie, daß Michael Heroin genommen hat?«
Sie starrte ihn an. »Ich verstehe nicht. Er ist doch an einer Überdosis Heroin gestorben.«
»Seine Mutter glaubt, daß es Mord war.«
Sie zuckte die Schultern, aber da war eine plötzliche Wachsamkeit in ihrem Blick, gepaart mit Furcht …
»Können Sie sich vorstellen, daß jemand ein Interesse gehabt hat, Michael umzubringen?« bohrte er weiter.
»Nein. Nein, ich kenne niemand, der …«
»War Michael ein Junkie?«
»Ich weiß nichts von diesem Heroin«, wiederholte sie wie eine defekte Schallplatte.
Markesch hob die Brauen. »Sie waren Michaels Freundin. Sie wollen mir doch nicht weismachen, daß Sie es nicht bemerkt hätten, wenn er an der Nadel hing?«
»Oh, natürlich, ich meine, er hatte sich verändert, sich in der letzten Zeit von mir zurückgezogen, sprach nicht mehr mit mir über – nun, seine Probleme, das, was ihn beschäftigte, und er sah oft erschöpft aus, abgespannt, als würde er zu wenig Schlaf bekommen, aber ich habe mir nichts dabei gedacht, das heißt, nicht an … an Rauschgift, ich dachte, er würde zuviel arbeiten, bis spät in der Nacht über seinen Büchern sitzen …«
Es klang wie ein einstudierter Text, an den sie selbst nicht glaubte.
Sie weiß etwas, dachte Markesch. Sie weiß mehr über Michaels Tod, als sie sagen will. Aber warum verschweigt sie es? Vor wem hat sie Angst? Er dachte an den Spanier. Hatte der rabiate Flamencotänzer etwas damit zu tun?
»Seine Mutter sagte, er habe die Miete für das Apartment im Uni-Center aus eigener Tasche bezahlt. Wovon? Hat er neben dem Studium gearbeitet?«
Susanne Großmann nickte.
»Wo?«
»Ich weiß nicht. Irgendwelche Gelegenheitsjobs. Ich sagte doch, daß er sich in der letzten Zeit von mir zurückgezogen hat. Woher soll ich dann wissen, wo …«
»Vielleicht bei seinem Onkel? Im Pharma-Unternehmen seiner Mutter?«
In ihrem Gesicht zuckte es. »Ich weiß nicht. Vielleicht. Fragen Sie seinen Onkel.«
»Michael hat im Labor der Firma oft Experimente durchgeführt. Möglicherweise im Auftrag der Firma, und Hommberg hat ihn vielleicht dafür bezahlt.«
»Möglich.«
»Kennen Sie Lukas Hommberg?«
»Flüchtig. Ich habe ihn ein- oder zweimal gesehen.«
»Wie verstand sich Michael mit Hommberg?«
»Ich weiß nicht. Gut, nehme ich an. Er war sein Onkel, nicht wahr?«
Ich weiß nicht. Vielleicht. Möglich. Markesch spülte seinen Unwillen mit einem Schluck Scotch hinunter. »Wieso hat er überhaupt gearbeitet? Warum hat er sich nicht von seiner Mutter unterstützen lassen?«
»Seine Mutter!« Susanne Großmann verzog verächtlich den Mund. »Natürlich hätte sie ihm Geld gegeben. Es hätte sie sogar glücklich gemacht. Weil Michael dann weiter von ihr abhängig gewesen wäre. Sie wollte ihn kaufen. Sie hat immer versucht, ihn zu kaufen, aber Michael wollte sich nicht länger kaufen lassen. Er wollte frei von ihr sein. Deshalb hat er sich das Apartment genommen. In der Villa seiner Mutter wäre er erstickt.«
»Hatte Michael Freunde, mit denen er oft zusammen war? Kommilitonen?«
»Er interessierte sich nur für sein Studium. Er hatte keine Zeit für enge Freundschaften.«
»Aber er hatte Zeit für Sie.«
»In den letzten Monaten nicht mehr.« Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. »Sind Sie jetzt fertig? Ich muß gehen. Eine wichtige Vorlesung …«
»Nur noch eine Frage«, erwiderte Markesch. »Trug Michael an seinem Todestag die goldene Uhr, die er von seiner Mutter geschenkt bekommen hatte?«
Susanne Großmann sah ihn
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