Ueberdosis
viel Angst hat und die Angst verbergen will.
Außerdem glaubte er ihr kein Wort. Sie kannte den Spanier. Aber warum wollte sie es nicht zugeben?
»Noch einmal vielen Dank«, sagte sie, und es klang wie »Scheren Sie sich zum Teufel!«
»Keine Ursache«, winkte Markesch ab. »Die Jagd auf Triebverbrecher ist für mich eine Art Ausgleichssport.«
»Tatsächlich?« sagte sie ohne echte Begeisterung. Sichtlich nervös klappte sie ihren Schirm zusammen, kramte in ihren Manteltaschen und brachte einen Schlüsselbund zum Vorschein. »Dann will ich Sie in Ihrem sportlichen Ehrgeiz nicht bremsen.« Sie schob sich an ihm vorbei und schloß die Haustür auf.
»Ich muß mit Ihnen reden.« Markesch folgte ihr. »Es dauert nicht lange.«
Das gezwungene Lächeln verschwand von ihrem Gesicht. »Hören Sie, ich bin belästigt worden und Sie haben mir geholfen, in Ordnung, aber wenn Sie glauben, ich würde jetzt in Ihnen meinen Märchenprinzen sehen, dann …«
»Es geht um Ihren Freund, Susanne«, unterbrach er. »Um Michael Maaßens Tod. Ich habe nur ein paar Fragen an Sie.«
Susanne Großmann versteifte sich. »Oh. Sie sind … Aber ich habe Ihren Kollegen schon alles gesagt, was ich weiß. Warum können Sie mich nicht endlich in Ruhe lassen? Es ist schlimm genug, daß Michael auf diese schreckliche Weise sterben mußte. Ich habe mit dem Zeug nichts zu tun. Ich weiß nicht, woher Michael es hatte, und …«
»Trotzdem«, beharrte Markesch. »Nur ein paar Fragen. Es dauert wirklich nicht lange.« Sie schien ihn für einen Polizisten zu halten; nun, vielleicht machte sie das gesprächiger, als wenn er ihr verriet, daß er Privatdetektiv war und im Auftrag von Michaels Mutter arbeitete.
Sie zuckte die Schultern. »Kommen Sie herein. Aber ich habe nicht viel Zeit.«
Das Treppenhaus erfüllte seine hochgeschraubten Erwartungen. Die Marmorfliesen waren so sauber poliert, daß es fast wie Blasphemie wirkte, sie mit Straßenschuhen zu betreten, und die Treppe war eine schwindelerregend gewundene Konstruktion aus Marmor und Aluminium, die geradewegs in den Himmel zu führen schien. Susanne Großmann ignorierte die Treppe und nahm den Aufzug; vielleicht, weil die Treppe tatsächlich in den Himmel führte. In der engen Liftkabine roch Markesch zum erstenmal ihr Parfüm: fruchtig und frisch wie ein Tropencocktail auf Champagnerbasis. Sie war einen Kopf kleiner als er, was Markesch an Frauen schon immer geschätzt hatte, weil er sich dann in seinen naiven Momenten einbilden konnte, daß sie zu ihm aufblickten. Ihr weißer Mantel verhüllte nur soviel von ihrer Figur, um seine Phantasie mit Bildern von schwellenden Rundungen und atemberaubenden Kurven zu beschäftigen, und obwohl ihr Gesicht Verärgerung und Widerwillen ausdrückte, war es von sinnverwirrendem Liebreiz.
Seine Hoffnung, daß der Strom ausfallen und der Aufzug steckenbleiben würde, erfüllte sich natürlich nicht.
Ihre Wohnung war geräumig; drei Zimmer, Bad und Gäste-WC, eine Wohnküche mit allem technischen Komfort, der eine Hausfrau fast überflüssig machte, die Räume mit dicken, teuren Teppichen ausgelegt, die Decken holzgetäfelt, die Tapeten von einer schlichten Eleganz, wie man sie nur für teures Geld bekommen konnte. Sie führte ihn in ein zur Straßenseite gelegenes Zimmer, aber die Fenster hatten Doppelverglasung und schluckten den Lärm der Innenstadt. Die Möblierung war stilvoll; modern, ohne den klinischen Chic von Michaels Hochhausapartment, und so luxuriös, daß sie nicht einmal einen protzigen Eindruck machte.
Markesch ließ sich unaufgefordert in einen Ledersessel sinken und sagte: »Ich trinke Scotch. Ohne Eis, ohne Soda.«
Sie warf ihm einen gereizten Blick zu. »Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen etwas zu Trinken angeboten zu haben.«
»Ich weiß.« Er lächelte nachsichtig. »Ich wollte Ihnen nur die Peinlichkeit ersparen, sich hinterher als schlechte Gastgeberin zu fühlen.«
»Sie sind ein richtiger Menschenfreund, nicht wahr?« spottete sie, aber sie ging zur beneidenswert gut bestückten Bar, schenkte ihm einen Scotch ein und brachte ihm das Glas. »Sie wollten mir einige Fragen stellen. Oder haben Sie es sich inzwischen anders überlegt und beschlossen, sich hier häuslich niederzulassen?«
Er nahm ihr das Glas ab. »Ein faszinierender Gedanke. Es muß hart sein für Sie – ganz allein in dieser großen Wohnung.«
»Ich wohne mit meinem Bruder zusammen. Die Wohnung gehört unseren Eltern. Schon für zwei ist sie fast zu klein,
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