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Ueberdosis

Ueberdosis

Titel: Ueberdosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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wollten, sollten sie ihn bekommen!
    Mit der Waffe in der Hand ging er ins Badezimmer und riskierte einen Blick in den Spiegel.
    Sophie hatte nicht übertrieben. Er sah grauenhaft aus, dem Tode näher als dem Leben. Sein Haar war wirr und blutverklebt, über die Stirn zog sich eine fingerlange Schramme, das rechte Auge war ein Mal aus Purpur, Blau und Grün, die Nase stand ein wenig schief, die Lippen waren dick und verschorft, und an seinem Kinn prangte eine fünfmarkstückgroße, dunkelrote Schwellung.
    Markesch grunzte den Zombie im Spiegel an, und der Zombie grunzte zurück.
    Ein Glück, daß er die Magnum hatte. Zur Not konnte er sich immer noch Letzte Hilfe leisten. Aber zunächst mußte er mit den Spaniern abrechnen. Und mit Hommberg.
    Fluchend machte er sich an die Behandlung seiner Wunden.
     
    Eine knappe Stunde später hatte er geduscht und sich soweit restauriert, daß er sich wieder an die Öffentlichkeit wagen konnte, ohne mehr als ein paar irritierte Blicke und hochgezogene Augenbrauen zu ernten. Mit einem Taxi fuhr er zum Martin-Luther-Platz, um seinen klapprigen Ford abzuholen. Der Taxifahrer war ein typischer kölsche Jong, was bedeutete, daß er während der Fahrt ununterbrochen in seinem unverständlichen Dialekt vor sich hin schwätzte und über Funk seine Kollegen beschimpfte.
    Aber als hartgesottener Vertreter seiner Zunft nahm er Markeschs derangiertes Gesicht kommentarlos zur Kenntnis.
    Der Ford stand noch immer an seinem Platz und rostete gelangweilt vor sich hin. Markesch atmete auf. Insgeheim hatte er befürchtet, daß der Goldzahn und der Flamencotänzer auch seinen Wagen mißhandelt hatten, doch die einzige Veränderung war ein fingerdicker Überzug aus heruntergefallenem Laub. Er säuberte notdürftig die Windschutzscheibe und stieg ein.
    Barny, dachte er. Verdammt, wenn die Spanier mitbekommen haben, daß ich mit Barny … Nein, unwahrscheinlich. Er konnte sich nicht daran erinnern, einen von den Spanier im Südpol gesehen zu haben. Vermutlich hatten sie ihn verfolgt und nur beobachtet, daß er die Szenenkneipen abgeklappert hatte. Von seinem Gespräch mit Barny konnten sie nichts wissen.
    Außerdem war Barny abgebrüht genug, um sich im Notfall immer noch herausreden zu können. Er wußte, wie man Ratten wie den Goldzahn oder den Flamencotänzer behandeln mußte.
    Trotzdem ließ ihm der Gedanke keine Ruhe, und bevor er sich auf den Weg zur Maaßen-Pharma-AG machte, fuhr er bei Barny vorbei.
    Barny hauste in einer abbruchreifen Ruine nahe der ehemaligen Stollwerck-Schokoladenfabrik, die eine Zeitlang der Szene als Kommunikationszentrum gedient hatte, bis sie von den Spekulanten und ihren Erfüllungsgehilfen im Stadtrat wieder vertrieben worden war. Wo einst in umfunktionierten Fabrikhallen Künstler gearbeitet, Rock- und Punkbands gespielt und jugendliche Dropouts Zuflucht gefunden hatten, gähnten jetzt Baugruben, überragt von halb fertiggestellten Wohnmaschinen aus Beton. Ein alter Mann in einem abgetragenen, schmutzigen Mantel schlurfte die Straße entlang, in der Hand eine Plastiktüte voller Leergut, das Gesicht so zerfallen wie die grauen Häuser, die sich zu beiden Seiten unter dem grauen Himmel duckten. Auf der Fahrbahn schillerten ölige Pfützen, die Bürgersteige waren von Abfall und Flaschenscherben übersät.
    Es war eine deprimierende Gegend, und plötzlich konnte Markesch verstehen, warum Barny zur Fixe griff. Er hielt dicht vor dem abbruchreifen Haus und klingelte, aber niemand öffnete.
    Unentschlossen blieb er einen Moment im Hauseingang stehen. Von irgendwoher drang das schrille, hysterische Geschrei einer betrunkenen Frau. Dann war es wieder still.
    »Wülste zu Barny?«
    Markesch hob den Kopf. Aus einem der Fenster im ersten Stock sah ein Mädchen mit struppigem Haar und hohlwangigem Gesicht zu ihm hinunter. Ihre Haut hatte einen gelblichen Schimmer, und ihre Augen waren groß und leer, ohne Wärme, ohne Seele.
    »He, was willste denn? Willste zu Barny?«
    Ihre Lippen bewegten sich, ihre Lippen lebten, aber ihre Stimme klang, als wäre sie schon seit Wochen tot.
    »Barny is nich da. Wenne da is, hör ich ’n immer kotzen, aber ich hör nichs. Was willste denn von Barny? Willste Geld von ihm? Alle wollen Geld von ihm. Aber Barny hat kein Geld. Barny hat nie Geld. Barny is’n dreckiger Junkie. Der is fertig, Mann.«
    »Sind wir das nicht alle?« brummte Markesch.
    Das Mädchen grinste und entblößte schadhafte Zähne. »Du bist okay, Mann. Was haste denn mit

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