Ueberdosis
faszinierende Figur war sie viel zu konservativ gekleidet, aber vielleicht war Hommberg im Sternzeichen Stier geboren, und sie wußte genau, welche Wirkung ein rotes Tuch auf einen Stier hatte – vor allem, wenn sich unter dem roten Tuch ein derart begnadeter Hintern abzeichnete.
»Herr Markesch? Herr Hommberg erwartet Sie.«
Ihre Stimme enttäuschte ihn; sie war so nichtssagend, daß es schwerfiel, sich an ihre Worte zu erinnern, sobald sie ausgesprochen waren. Aber dafür erinnerte er sich daran, daß sie es gewesen war, die mit dem kriecherischen Pförtner gesprochen und versucht hatte, ihn abzuwimmeln.
Er erwiderte ihr Lächeln mit dem, was man in abergläubischen Zeiten den bösen Blick genannt hätte, und sie schrak zurück, als wäre sie nun vollends davon überzeugt, in einen schlechten Horrorfilm geraten zu sein: Frankensteins Braut oder vielleicht auch Angriff der Killertomaten.
Als Markesch das Vorzimmer betrat, fühlte er sich tatsächlich wie eine besonders aggressive und besonders überreife Killertomate: außen mordlüstern und innen butterweich.
Vielleicht hätte er die beiden Tolimadol nicht nehmen sollen. Es lag bestimmt an den Tabletten.
Ehe Hommbergs Sekretärin eine überflüssige Bemerkung über den beklagenswerten Zustand seines Gesichts machen konnte, sagte er beiläufig: »Mein Schönheitschirurg ist zur Zeit im Urlaub. Normalerweise hätte ich mich bis zu seiner Rückkehr im Kohlenkeller versteckt, aber meine Sehnsucht nach Onkel Lukas ließ mir keine Ruhe. Ich bin sein unehelicher Neffe«, fügte er hinzu. »Mütterlicherseits.«
Die Dame in Rot sah ihn nur an.
Unter ihrem dezenten Make-up war sie blaß geworden.
Die Blässe stand ihr. Sie paßte ausgezeichnet zu ihren hellgrünen Augen.
Markesch steuerte zielbewußt auf die Tür an der gegenüberliegenden Seite des Vorzimmers zu. »Danke, ich finde schon den Weg«, knurrte er. »Kümmern Sie sich um den Hofhund unten in der Pförtnerloge. Er vermißt seinen Knochen.« Er drückte die Klinke nach unten. »Übrigens, ich trinke Scotch. Ohne Eis, ohne Soda. Und für den Onkel bringen Sie ein Täßchen Pfefferminztee. Mein Besuch wird ihm auf den Magen schlagen, und gegen Magenprobleme hilft nur Pfefferminztee, verstanden?«
Die Dame in Rot schluckte. »Ver … verstanden.«
Markesch betrat Lukas Hommbergs Büro.
Das Büro mit einem Fußballplatz zu vergleichen, wäre Übertreibung gewesen, aber man hätte es ohne große Mühe für ein Fußballhallenturnier umrüsten können. Wenn der Teppichboden im Korridor an eine gemähte Wiese erinnerte, so hatte Markesch es hier mit einem zentimeterdicken Moospolster zu tun. Die linke Seite und die Rückwand waren vom Boden bis zur Decke verglast und boten einen vom Dunst getrübten Blick auf das verschmutzte Kuppeldach des Hauptbahnhofs, die grünspanüberzogenen Türme des Doms und das wolkenstürmende Hansa-Hochhaus am Ring.
Rechts neben der Tür erstreckte sich eine Wohnlandschaft aus Lederelementen und gläsernen Beistelltischen, durch die Teppichwüste vom Schreibtisch an der Rückwand getrennt.
Jeder kleine Bausparer hätte den Schreibtisch mit einem rustikalen Blockhaus verwechselt; vermutlich waren für ihn ein paar Hektar Regenwald abgeholzt worden. Die riesige Schreibtischfläche war mit einem Computerterminal, einer futuristischen Telefonanlage und einem halben Dutzend Bonsai- Bäumchen drapiert – eine Mischung aus High Tech und Grüner Wohnen.
Lukas Hommberg selbst war ein kräftiger, hochgewachsener Mann um die Fünfzig mit einem leicht aufgeschwemmten, aber immer noch anziehend wirkenden Gesicht, vorausgesetzt, man hatte etwas für Männer übrig. Sein dunkles, volles Haar, das sich nur an der Stirn ein wenig gelichtet hatte, war von silbergrauen Fäden durchzogen, als wäre es eine natürliche Fortsetzung seines dunklen, silbergrau gestreiften Maßanzugs. Selbst in den kalten, wachsamen Augen war ein Hauch Silbergrau.
Er war der Typ seriöser Geschäftsmann, dem man bedenkenlos sein ganzes Vermögen anvertrauen würde, weil alles an ihm, sein Auftreten, sein Aussehen, Erfolg und Durchsetzungsvermögen signalisierte.
Aber wie Archimedes herausgefunden hatte, war Lukas Hommberg so seriös wie eine Liechtensteiner Briefkastenfirma, die ihre Geschäfte mit Falschgeld finanzierte.
Hommberg stand auf und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Feindseligkeit umgab ihn wie ein unsichtbarer Panzer. Seiner Miene war anzumerken, daß er Markesch am liebsten hinausgeworfen
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