Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueberdosis

Ueberdosis

Titel: Ueberdosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
Vom Netzwerk:
erwartet?«
    »Es ist eine Überraschung.« Markesch beugte sich vor. »Im Vertrauen, ich komme vom Bundesgesundheitsamt und soll Hommberg die Goldene Tablette für seine Verdienste um die Anti-Kater-Forschung überreichen.«
    »Sie sind ein Clown, nicht wahr? Ein Witzbold. Und ich wette, Sie sind betrunken. Verschwinden Sie. Ehe ich die Polizei rufe.«
    »Melden Sie mich bei Hommberg an«, sagte Markesch kalt. »Ich arbeite für Elvira Maaßen. Ich bin in ihrem Auftrag hier. Also machen Sie schon, oder ich sorge dafür, daß Sie Ihren Job verlieren.«
    Der Pförtner starrte ihn haßerfüllt an, griff dann aber doch nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer. »Frau Diering? Hier ist jemand namens Markesch und will den Chef sprechen. Er behauptet, daß er für Frau Maaßen arbeitet, aber ich glaube, er ist betrunken … Nein, hat er nicht … Gut, wenn Sie meinen …« Kurze Pause. Dann grinste er. »Verstanden. Natürlich. Ich werfe ihn raus.« Er legte auf. »Herr Hommberg ist in einer Konferenz. Er hat keine Zeit für Sie. Vielleicht versuchen Sie es nächstes Jahr noch einmal.«
    »Rufen Sie noch einmal an«, sagte Markesch mild. »Sprechen Sie mit Hommberg persönlich. Sagen Sie ihm, daß Markesch da ist, um ihm einige Fragen über seinen Neffen zu stellen.«
    Das Grinsen des Pförtners wurde eine Spur breiter und häßlicher. »Haben Sie nicht gehört? Sie sollen verschwinden. Ich …« Das Telefon klingelte. Er hob ab. Sein Grinsen verschwand. »Jawohl, Herr Hommberg, jawohl, er ist noch hier. Ich hatte mit Ihrer Sekretärin … Nein, er sagte nur, daß er für Frau Maaßen arbeitet. Ich dachte … Ich glaubte, er wäre betrunken und … Nein, das konnte ich doch nicht … Natürlich, gewiß, Herr Hommberg, jawohl, Herr Hommberg, jawohl.«
    Er war blaß geworden. Er schwitzte. Und als er den Hörer wieder auf die Gabel legte, zitterte seine Hand.
    Markesch lächelte freundlich. »Sehen Sie? Ich wußte, daß Hommberg Zeit für mich hat – schon wegen der Goldenen Tablette.«
    »Ich … Entschuldigen Sie. Entschuldigen Sie vielmals. Ich hatte keine Ahnung … Ich meine, es tut mir schrecklich leid …« Hastig füllte er einen Besucherausweis aus und schob ihn Markesch zu. In seinen Augen war der Ausdruck eines geprügelten Hundes, dem man soeben seinen Lieblingsknochen abgenommen hatte. »Hier, bitte. Herr Hommberg ist in seinem Büro im fünften Stock, am Ende des Korridors. Wenn Sie aus dem Aufzug kommen, immer …«
    »Ich werde ihn schon finden«, unterbrach Markesch. »Meine besten Freunde sind Blindenhunde. Von ihnen habe ich jede Menge Tricks gelernt.«
    Mit dem Besucherausweis in der Hand schlenderte er zum Aufzug und fuhr hinauf in den fünften Stock. Der Korridor war mit grünem Teppichboden ausgelegt und so weich, daß man das Gefühl hatte, über eine gemähte Wiese zu gehen. An den Wänden hingen Drucke mit Tablettenmotiven, Gebrauchskunst nach Art des Hauses, und einige surrealistische Werke, verfremdete Geldscheine in Pink und Purpur. Hinter den geschlossenen Bürotüren klapperten Schreibmaschinen oder Computerdrucker mit einer Geschwindigkeit, als gelte es einen neuen Weltrekord aufzustellen, und die Stimmen, die durch die Türen drangen, hatten alle einen gehetzten Klang; die Stimmen schlechtbezahlter Angestellter, die nur zu gut um die desolate Lage auf dem Arbeitsmarkt wußten. Eine junge, mollige Frau in einem weißen Kittel und mit einem Aktenordner unter dem Arm kam Markesch entgegen und rauschte so schnell an ihm vorbei, daß er unwillkürlich auf den Überschallknall wartete.
    Offenbar huldigte hier jeder dem Götzen Tempo.
    Und so, wie er Hommberg einschätzte, war der gute Onkel Lukas Hohepriester und Großinquisitor in Personalunion.
    Markesch fragte sich, wo die Laboreinrichtungen untergebracht waren; wahrscheinlich in den unteren Stockwerken. Und wenn er sich richtig erinnerte, lag das eigentliche Pharma-Werk in Köln-Mülheim, wo Tag für Tag Millionen Tabletten, Pillen und Zäpfchen produziert wurden, Nachschub für die Kranken der Republik und für die Kassen des Unternehmens.
    Kurz bevor er die Tür am Ende des Korridors erreichte, wurde sie geöffnet, und eine schlanke, dezent geschminkte Frau in einem weinroten Kostüm schenkte ihm ein bemüht freundliches Lächeln. Nur das leichte Zucken um ihre Augen verriet, daß sie zuviel schlechte Filme gesehen hatte und seinen Auftritt mit einer Szene aus Frankenstein im Pharmaland verwechselte. Für ihr Alter und ihre

Weitere Kostenlose Bücher