Überfällig
in irgendeine Himmelsrichtung – »dann werden Sie mir dankbar sein. Ich habe das zwei Jahre unter ernsten Bedingungen mitmachen müssen. Deshalb bin ich hier auch Ausbilder geworden. Wenn ich Ihr Training gehabt hätte, wäre mir alles viel leichter gefallen. So bin ich dem Sensenmann nur gerade eben noch von der Schaufel gesprungen. Viel Glück, Sir. Sie werden wahrscheinlich harte Mondtage und noch härtere Mondnächte vor sich haben.«
Diesmal verstand er mein Lächeln nicht. Er konnte nicht wissen, daß ich erst kurz vor Lehrgangsbeginn von Lima zurückgekommen war. Wir hatten noch mehr erlebt, viel mehr! Es war nicht nur um unser Leben gegangen, sondern um das der ganzen Mondkolonie. Das durfte er aber niemals erfahren, auch wenn er noch so zuverlässig war.?
Es geschah nur in ganz besonderen Fällen, daß ein GWA-Agent über den Einsatz eines anderen Spezialisten informiert wurde. Meine beiden Schulungskameraden standen stumm vor ihren Zelten. Sie winkten mir kurz zu. Ihre Gesichter waren unbewegt. Sie schienen zu ahnen, was die plötzliche Abberufung zu bedeuten hatte.
Ich ging die wenigen Schritte zum flachen Kommandanturgebäude hinüber. Vor dem äußeren Abwehrring der Hitzewerfer-Sperre standen zwei schwerbewaffnete Posten in den dunklen Uniformen der militärischen GWA.
Obwohl mich die Männer sehr gut kannten, kontrollierten sie meine GWA-Kennmarke. Wenn doch nur diese ewigen Sicherheitsmaßnahmen einmal etwas gelockert worden wären! Wie oft hatten wir schon darüber geflucht, bis wir in einer brenzligen Situation eingesehen hatten, wie wichtig die überspitzt erscheinenden Vorschriften waren.
Das strahlungssichere Etui aus Potronin-Plast klappte wieder zu. In ihm verschwand die radioaktive Erkennungsmarke, die einem GWA-Schatten alle Tore öffnete. Neuerdings hatten sogar die bisher mißtrauischen Russen ein Abkommen mit unserem Alten getroffen. Seit dem letzten Unternehmen hatten sie eingesehen, daß eine enge Zusammenarbeit zwischen Staatssicherheitsdienst und GWA unerläßlich war. Im Osten drohte eine Macht, die noch im Jahre 1960 als vernachlässigbar angesehen worden war. Das hatte sich inzwischen gründlich geändert. Der ›Großasiatische-Staatenbund‹ war nicht mehr zu übersehen.
Gleich drauf stand ich in der kühlen Vorhalle des langgestreckten Gebäudes. Von außen sah es ganz unbedeutend aus, doch hier schlug das Herz der Ausbildungsstätte.
Oberst el Hamid wanderte in seinem bescheidenen Arbeitszimmer auf und ab. Der hochgewachsene Mann mit der dunklen Hautfarbe hatte in den nahen Bergen des Hohen Atlas das Licht der Welt erblickt.
Ich meldete mich mit der vorgeschriebenen Formel, doch er winkte sofort ab. Sein Gesicht wirkte verschlossen; die Stimme klang knurrig. Wäre er klein und untersetzt gewesen, hätte man ihn fast mit dem allmächtigen Chef der GWA verwechseln können.
»Hat sich was mit ›Schüler HC-9‹«, brummte er. »Vorbei, mein Lieber. Von jetzt an sind Sie wieder Major HC-9. Nehmen Sie Platz, bitte.«
Das letzte Wort hatte er etwas zögernd ausgesprochen. Er war nicht daran gewöhnt, sein Befehle in eine höfliche Form zu kleiden.
Ich setzte mich auf den unbequemen und recht altmodischen Stuhl aus Bastgeflecht. Nur dieses Möbelstück erinnerte daran, daß wir uns in einer Oase befanden.
Interessiert beobachtete ich seine ruhelosen Hände. Die schlanken Finger trommelten auf der Kunststoffplatte herum. Oberst el Hamid war zweifellos ein interessanter Mann, auch wenn er für den aktiven Einsatz nicht mehr in Frage kommen konnte. Bei einem gewagten Unternehmen in Vorderasien hatte er beide Beine
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