Überfällig
Machtkämpfen. Die Auseinandersetzungen wären noch erträglich gewesen, wenn sich nicht unglaublich fremdartige Lebewesen eingeschaltet hätten, deren Heimat wir auf der Venus vermuteten. Hundertprozentig sicher war das aber nicht.
All das hatte zur beschleunigten Gründung des GWA-Raumkorps geführt. Wenn mich nicht alles täuschte, lag mein Einsatzgebiet von nun an auf dem Mond und – noch erweitert – im eigentlichen Weltraum.
Die Aussicht war erregend, sogar faszinierend. Dennoch fragte ich mich, was einige wenige GWASchatten dort oben ausrichten sollten. Solange die Eignungsprüfungen derart hart waren, kamen überhaupt nur wenige Auserlesene durch.
Es war, als hätte der Astro-Mediziner meine Gedanken gelesen. Unvermittelt warf er ein:
»Drei hervorragende Männer mit einer einzigartigen Spezialausrüstung können mehr erreichen als zehntausend Durchschnittsmenschen mit normalen Hilfsmitteln. Bedenken Sie das, und lassen Sie sich vom ›Gehirn‹ belehren. Ich glaube, Major HC-9, daß wir in den Reihen der aktiven Agenten genügend Männer und Frauen haben, die mit den internen Schwierigkeiten auf der Erde auch ohne Sie fertigwerden können.«
»Interne Schwierigkeiten« hatte er gesagt! Himmel – waren wir schon so weit, daß die Probleme der Welt als intern angesehen wurden? Hatten wir den Sprung in den Raum denn wirklich geschafft? War endlich in Erfüllung gegangen, was noch meinen Vater als traumhafte Vorstellung bewegt hatte?
Ich konnte mich gut an seine Worte erinnern. Es war etwa 1975 gewesen, und ich war noch ein kleiner Junge. Er hatte ernsthaft behauptet, der routinemäßige bemannte Raumflug ließe noch mindestens dreißig Jahre auf sich warten. Genau umgekehrt war es gekommen. Mit der Entwicklung des Mikro-Kernmeilers und der Folien-Strombank zur direkten Stromerzeugung waren die chemischen Flüssigkeitstriebwerke der Raketen überholt gewesen.
Und jetzt, Ende 2003, rasten schon Kleinraketen mit vollwertigen Plasmatriebwerken zum Mond. Die Raumschiffe waren so klein, daß man sie damals nicht einmal als dritte Stufe einer Satellitenrakete verwendet hätte.
Den Mars hatten wir vor einigen Monaten zum erstenmal erreicht – ein großartiger Erfolg. Dann allerdings war es zu einem Zwischenfall gekommen. Unsere Plasmarakete war mit einer todkranken Besatzung in Innerasien notgelandet. Kurz danach war das russische Schiff TSCHERKINSKIJ bei der Rückkehr abgeschossen worden.
Es hing alles in der Schwebe. Kein Mensch konnte die Fülle der anfallenden Probleme auf einmal bewältigen. Wissenschaftliche Grundgesetze stürzten über Nacht. Konventionelle Wissenschaftler bekamen weiße Haare. Fähigste Forscher standen staunend vor den Maschinen eines uns unbekannten galaktischen Volkes; vor Maschinen, die mindestens hundertachtzigtausend Jahre alt waren.
Das alles waren Vorstellungen, die sogar einem phantasiebegabten Menschen zu schaffen machen konnten. Es war eben zuviel auf einmal auf uns eingestürzt. Daran krankte augenblicklich die geistige Elite der Menschheit.
Unser kalter Krieg mit dem Großasiatischen-Staatenbund war in ein derart friedliches Stadium getreten, daß unsere Asienspezialisten nur noch die Köpfe schüttelten. Unsere Freunde vom Pekinger Geheimdienst gaben sich ausgesprochen zurückhaltend. Wir hüteten uns deshalb, ihnen unnötig auf die Füße zu treten.
All das hatte etwas zustande gebracht, was wir überhaupt noch nicht erfassen konnten. Aus diesem Grunde mochte Dr. Bulbe recht haben, wenn er meinte, daß drei fähige Männer mehr ausrichten
Weitere Kostenlose Bücher