Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
mit den Juden zustimmte. Es wäre Deutschlands Ansehen in der Welt abträglich gewesen, hätte die deutsche Bevölkerung diesen Bemühungen Widerstand geleistet. Anzeichen dafür hätte es wohl gegeben, so Dr. Blankenhorn. Von einer Pflicht, das deutsche Volk entsprechend aufzuklären, war nicht die Rede.
Der Staat Israel existierte bereits, als das erste deutsche Nachkriegsparlament und die erste Nachkriegsregierung konstituiert wurden. Obwohl die Gründung dieses Staates in gewisser Hinsicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Mord an den europäischen Juden stand, erwähnte Dr. Adenauer in seiner ersten Regierungserklärung vom 20. September 1949 mit keinem Wort eine Verantwortung der Deutschen gegenüber den Juden und dem Staat Israel. In den folgenden Jahren führten die Vereinigten Staaten von Amerika geheime Verhandlungen mit der Bundesrepublik über Forderungen des Staates Israel an Bonn, da der jüdische Staat noch nicht zu direkten Kontakten mit Deutschen bereit war. Es handelte sich um Entschädigungszahlungen für Israels Aufnahme von 500.000 Flüchtlingen aus Deutschland und den von den Nazis besetzten Gebieten, um Wiedergutmachung an Überlebenden aus Konzentrationslagern und eine Rückerstattung enteigneten jüdischen Eigentums. Im Endstadium dieser Verhandlungen forderte Amerika Israel zu direkten Gesprächen auf, da nur so die betroffenen Parteien zu einem Ergebnis gelangen könnten. Israel erklärte seine Bereitschaft unter der Bedingung, daß Bonn in einer Regierungserklärung dazu Stellung nähme. Dies geschah im September 1951, also sechs Jahre nach Kriegsende. Darin heißt es im dritten Teil:„Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit die an den Juden begangenen Verbrechen verabscheut und sich nicht an ihnen beteiligt.“ Als Beweis für diese erstaunliche Behauptung heißt es weiter: „Es hat in der Zeit des Nationalsozialismus im deutschen Volk viele gegeben, die mit eigener Gefährdung, aus religiösen Gründen, aus Gewissensnot, aus Scham über die Schändung des deutschen Namens ihren jüdischen Mitbürgern Hilfsbereitschaft gezeigt haben.“ Es erhebt sich die Frage, wie die Morde an sechs Millionen Menschen möglich wurden, wenn diese Aussage den Tatsachen entsprochen hätte. Die Rettung von nur 1.700 Juden, die von Bürgern der Stadt Berlin versteckt wurden, in der bei Beginn der Deportationen noch etwa 70.000 Juden lebten, spricht eine deutliche Sprache.
In ähnlicher Weise drückte sich Bonn jahrelang um die diplomatischen Beziehungen zu Israel. Bonn fürchtete, so gab man vor, daß im Falle einer offiziellen Anerkennung Jerusalems die arabischen Staaten den zweiten deutschen Staat, die DDR, diplomatisch anerkennen würden. Als Konsequenz hätte Bonn die Hallstein-Doktrin anwenden müssen, nach der sie ihre Beziehungen zu jenen Staaten abzubrechen hatte, die sich offiziell der DDR zuwandten. Als Kanzler Erhard 1965 die diplomatischen Beziehungen zu Israel schließlich doch aufnahm, brachen neun der zwölf arabischen Staaten ihre Beziehungen zu Bonn ab. Nur vier erkannten die DDR offiziell an. Der wirtschaftspolitische Schaden – und um den ging es Bonn wohl in erster Linie – war für Bonn relativ gering. Die Schuld der Deutschen am jüdischen Volk hätte es ihnen jedoch zur Pflicht machen müssen, auch Nachteile in Kauf zu nehmen, wenn es ihnen wirklich um die Versöhnung mit dem jüdischen Volk ging.
Es regte sich auch kein Protest in Deutschland dagegen, daß die Verfolgung der Naziverbrechen vor deutschen Gerichten nur sehr schleppend vor sich ging. Überdies war die Urteilsfindung für derartige Verbrechen häufig sehr unterschiedlich im Vergleich zu Prozessen von in der Nachkriegszeit begangenen Morden. Für Tausende von erwiesenen Morden erhielten Naziverbrecher meist nur zeitbegrenzte Gefängnisstrafen. Hingegen pflegen deutsche Gerichte einen für einen Mord verantwortlichen Verbrecher lebenslänglich ins Gefängnis zu schicken.
Man hat mir oft vorgeworfen, ich versagte den Deutschen die Anerkennung für die Zahlungen, die der Staat an Juden nach dem Krieg geleistet hätte. Bei dieser „Wiedergutmachung“ – das Wort könnte unpassender nicht sein – handelte es sich um finanzielle Hilfen für im KZ erlittene Schäden an Leben und Gesundheit sowie um Rückgabe von gestohlenem Gut. Wie viel von den Juden wirklich gestohlen wurde, wird erst heute, 50 Jahre danach, deutlich, da auch deutsche Banken und Versicherungen den Raub jüdischen Vermögens nun
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