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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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Abstimmung nicht anwesend zu sein. Von den 214 Abgeordneten der drei Regierungsparteien – CDU/CSU, DP und FDP – stimmte noch nicht einmal die Hälfte, nur 106, für den Vertrag, den ihre eigene Regierung vorgelegt hatte. Ohne die Stimmen der Opposition, der SPD, wäre dieser Vertrag nicht angenommen worden. Die Bundesrepublik war zu jener Zeit auf gute Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika angewiesen. Das Wiedergutmachungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und Israel war ganz im Sinne der USA, die den wenige Jahre zuvor von den Vereinten Nationen gegründeten Staat Israel unterstützte. Dr. Adenauer war sich dessen bewußt und versuchte alles, das Abkommen auch mit List und Tücke durchzubringen, indem er z. B. eine für den Vertrag entscheidende Kabinettssitzung ansetzte, als er Finanzminister Schäffer, der diesem Vertrag nicht wohlwollend gegenüberstand, im Ausland wähnte.
    David Ben Gurion, Israels großer Staatsmann, kommentierte den Abschluß des Vertrages mit den Worten: „Die Deutschen werden niemals zahlen.“ Er war überzeugt davon, daß es mit diesem Vertrag am Ende so ausgehen würde wie mit dem Versailler Vertrag. Doch er fügte hinzu: „Ob sie zahlen oder nicht, ist nicht entscheidend. Daß sie die Entscheidung trafen, ist von Bedeutung, denn es ist eine politische Entscheidung; es ist die Anerkennung des Staates Israel.“
    Ben Gurion irrte sich: Die Deutschen erfüllten den Vertrag auf das Komma genau. Die Anerkennung, die Ben Gurion darin zu sehen glaubte, führte noch viele Jahre lang nicht zu einer politischen Anerkennung des jüdischen Staates. Wobei man hinzufügen muß, daß eine diplomatische Anerkennung Israels seitens der Bundesrepublik kurz nach diesem Vertragsabschluß wohl noch im Bereich des Möglichen gewesen wäre. Damals aber war Israel noch nicht bereit, Deutschen zu einem offiziellen Bekenntnis die Hand zu reichen, so wenige Jahre nach den ungeheuerlichen Verbrechen Deutscher an den Juden.
    Das Jahr 1955 brachte einen deutlichen Wendepunkt in der offiziellen Politik beider Staaten. Israel wollte nun diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik. Es hatte inzwischen die starke Stellung erkannt, die die Bundesrepublik durch ihre Mitgliedschaft in der NATO und in verschiedenen europäischen Gremien einnahm. Isoliert im Nahen Osten, suchte Israel dringend engere Beziehungen zu Europa und auch zu Asien und Afrika. Diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik hätten ihren Eindruck auf die blockfreien Staaten sicher nicht verfehlt, möglicherweise auch zur Normalisierung ihrer Beziehungen zu Israel geführt. Aber zu jener Zeit festigte sich in Bonn die Sorge, die Araber könnten sich von einer offiziellen Anerkennung Israels herausgefordert fühlen und die DDR anerkennen. Entsprechende Berichte deutscher Botschafter und Drohungen aus der arabischen Welt taten das Ihre dazu. Um vornehmlich die blockfreien Staaten von einer solchen Anerkennung der DDR abzuschrecken, legte Bonn 1955 in der „Hallstein-Doktrin“ fest, daß sie ihre Beziehungen zu solchen Ländern lösen würde, die die DDR diplomatisch anerkannten. Damit begründete Bonn nun seine Ablehnung diplomatischer Beziehungen zu Israel. Bonn war lediglich zur Errichtung einer deutschen Dienststelle in Israel bereit, ähnlich der Israel-Mission in Köln, die zur Abwicklung der Wiedergutmachungsverträge geschaffen worden war. Aber dies schien Israel wie eine Ohrfeige auf seine Avancen. Die Beziehungen waren in eine Sackgasse geraten.
    Das Treffen Ben Gurions und Adenauers am 14. März 1960 in New York war wohl der Versuch von beiden Seiten, aus diesem Engpaß herauszukommen. Für Adenauer war dieses Treffen von politischer Bedeutung. Wenige Monate zuvor hatten Hakenkreuzschmierereien, zunächst an der Kölner Synagoge und später in vielen Teilen Deutschlands, das ohnehin schwache Vertrauen der freien Welt in die Bundesrepublik schwer erschüttert. Auf dem Weg zu einem Gespräch mit der amerikanischen Regierung, deren politische und militärische Unterstützung die Bundesregierung dringend nötig hatte, konnte ein Gespräch mit dem israelischen Premierminister nur von Nutzen sein. Ben Gurion verfolgte einen anderen Zweck mit diesem Treffen. Nicht die diplomatischen Beziehungen wollte er fordern. Das schien ihm unrealistisch. Er wollte eine Anleihe erbitten, die für die Erschließung der Wüste Negev gedacht sein und das Interesse, besonders der deutschen Jugend, an Israels Entwicklung wecken sollte. Er war sich

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