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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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Landes bemühen. Der Schritt fiel den meisten nicht leicht. In den seltensten Fällen waren sie im Land ihres Asyls heimisch geworden. Sie standen dann häufig vor Richtern oder Beamten, die über die Vergabe der Staatsangehörigkeit entschieden, und hatten Gewissenskonflikte.
    Wie konnte es auch anders sein, wenn die an sie gerichteten Fragen so oder ähnlich lauteten: „Ihre Nationalität?“ Die Antwort: „Deutsch.“ „Sind Sie Jude?“ „Ja, obwohl ich 1926 aus der Jüdischen Gemeinde ausgetreten bin, weil ich mich selbst nicht als Jude betrachtete.“ Darauf die Frage eines amerikanischen Richters: „Sie sind also deutsch und jüdisch?“ „Jawohl“, die fast verzweifelte Antwort auf so viel Verständnislosigkeit. „Sie sind also ein Mischling?“ „Nein, Euer Ehren.“ Dies geschah Erich Duncker in New York.
    Englische Beamte wollten da schon eher Genaueres über die Gründe des Emigranten wissen, weshalb er die Einbürgerung beantragt habe. Der Emigrant wußte wohl, daß er dafür überzeugende Gründe angeben mußte. Es war schließlich nach Ende des Krieges und des Hitler-Regimes, und viele Engländer meinten, die Emigranten könnten nun wieder in ihre alte Heimat zurückkehren.
    Daß Emigranten jüdischer Religion das Vertrauen zu Deutschen und Deutschland verloren hatten, begriffen nur die Wenigsten. Die Emigranten suchten also und fanden auch Argumente, die den Beamten bewiesen, wie wohl sie sich in England fühlten: „Ich bewundere die herrlichen Grünanlagen“, sagte der eine. Ein anderer: „Mit tut das Klima hier so gut.“ England ist für seinen vielen Regen und den Nebel berüchtigt, der das Land tagelang einhüllt. Während die zwei mit ihrer Verlegenheit zu kämpfen hatten, strahlte der Dritte den Beamten an und sagte im Brustton der Überzeugung: „Your language! It is your language, it is unbeatable!“ [Es ist Ihre Sprache, sie ist unschlagbar!] So geht die Sage, deren Wahrheitsgehalt sehr hoch ist.
Das verlorene Glück des Leo H.
    „Tante, wann sind vier Wochen um?“ Das Kind fragte es wieder und wieder. Die Tante, die es in Paris in Obhut genommen hatte, murmelte schon unwirsch: „Bald, bald“. Seine Eltern, die in Berlin zurückgeblieben waren, hatten ihm doch versprochen, in vier Wochen nach Paris nachzukommen. Was es jedoch nicht wissen konnte, war, daß seine Mama plötzlich gestorben und sein Papa als ehemaliger polnischer Bürger ins KZ Sachsenhausen eingewiesen worden war. Das alles geschah in den ersten Kriegstagen im September 1939.
    „Ich muß am Leben bleiben für unser Kind“, schwor sich Leo, nun, da seine Mutter tot ist, muß er alle Grausamkeiten überstehen, denen er in einem KZ ausgesetzt war. Und während er so dachte, waren die Tante und sein Kind auf der Landstraße auf der Flucht vor den deutschen Truppen Richtung Süden ins unbesetzte Frankreich. Dort gab es Franzosen, die Flüchtlingen halfen zu entkommen. Sie halfen vor allem Kindern zur Flucht in die benachbarte Schweiz. Als Riwka dort ankam, fragte sie sogleich, ob die vier Wochen um seien und ob sie hier Papa und Mama treffen würde. Sie bekam auch hier keine Antwort.
    Sie bekam sie erst nach Kriegsende. Der Vater meldete sich bei den Schweizer Pflegeeltern. Er wollte sein Kind wieder haben. Er hatte das KZ überlebt und war nun frei, allein in Polen, da die Freunde aus dem KZ in ihre Heimatorte zurückgekehrt waren. Die meisten Polen mißtrauten Leo. Er konnte nicht polnisch, obwohl er in Polen geboren worden war, und überdies war er Jude, eine dort seit Jahrhunderten ungeliebte Minderheit. Endlich blieb ihm keine Wahl, er mußte nach Berlin zurückkehren, wo es ihm sicher auch leichter fallen würde, Kontakt zu seinem Kind herzustellen.
    „Nationalität: deutsch“, es machte Leo keine Mühe, dies auf das auszufüllende Formular zu schreiben. Er sei in Majdan (Polen) geboren, fügte er hinzu. Keiner würde wissen, wo Majdan liegt, dachte er im stillen. Die Wirren des Krieges, die Zerstörungen und der beginnende Kalte Krieg würden dafür sorgen, daß es keine Nachforschungen über seine Person geben werde. Dessen war Leo gewiß. Niemand würde wissen, daß er Pole und Jude war. Mit einem Federstrich war er Deutscher geworden. Die Eltern würden ihm verzeihen, daß er auch sie zu Deutschen gemacht hatte, als er sie als Max und Erna eingetragen hatte. Moses und Esther, wie sie eigentlich hießen, waren längst tot.
    Es mag an der Rückkehr zum Ort seiner Kindheit gelegen haben. Plötzlich wich

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