Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
erste den Kontakt zueinander aufgenommen hatten. Deutsche kauften israelische Staatsanleihen, Städte begannen Partnerschaften. Ereignisse wie die Enthüllung, daß deutsche Wissenschaftler in Ägypten mithalfen, Waffen gegen Israel zu schmieden (1962), oder die fragwürdigen Diskussionen in Bonn um die Verjährung der Naziverbrechen (1965), vergrößerten die Zahl der Deutschen aus allen politischen Lagern, die sich – gegen ihre Regierung – für die Belange Israels und für die Herstellung diplomatischer Beziehungen einsetzten.
Angesichts der langjährigen Hinhaltetaktik war die Bekanntmachung der Bundesregierung am 7. März 1965, sie habe beschlossen, diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen, für viele überraschend und verwirrend. Zwar war Bonn damals über Wochen und Monate in zwei Nah-Ost-Konflikte verwickelt, die zu lösen der Regierung offensichtlich sehr schwer fiel. Der eine mit Israel: Bonn wollte die heimliche und von den Arabern 1964 plötzlich aufgedeckte Waffenhilfe für Israel unter allen Umständen beenden. Israel dagegen wollte Bonn auf keinen Fall aus dieser Verantwortung entlassen. Die Drohungen der Araber, sie würden im Falle der Nichtbefolgung ihrer Forderungen die DDR anerkennen, verfehlten ihre Wirkung auf Bonn nicht; Israel ließen sie natürlich kalt. Der zweite Konflikt bestand zwischen Bonn und Kairo. Nasser hatte den Staatsratsvorsitzenden der DDR, Walter Ulbricht, zu einem offiziellen Besuch eingeladen. Er tat dies unter dem Vorwand, dies sei ein Protest gegen die geheimen Bonner Waffenlieferungen an Israel. Aber in Wirklichkeit stand Nasser unter dem Druck Moskaus, das nichts unversucht ließ, um seine Theorie von der Existenz zweier deutscher Staaten in der Welt durchzusetzen. Bonns Sorge war darum, daß dieser Besuch Ulbrichts die gefürchteten diplomatischen Beziehungen zwischen Kairo und der DDR näherbringen würde und daß Bonn dann seinerseits, aufgrund seiner schon erwähnten Hallstein-Doktrin, die Beziehungen zu Ägypten hätte abbrechen müssen. Trotz aller Warnungen aus Bonn empfing Kairo den Staatsratsvorsitzenden der DDR mit viel Pomp wie einen hohen Staatsgast.
Beide Konflikte schienen unlösbar. Was sich in jenen Wochen und Monaten in Bonn abspielte, unter einem zögernden Kanzler Erhard, mit einem in beiden Fragen in der Mitte gespaltenen Kabinett, ging manchmal fast ins Groteske. Als Illustration sei darauf verwiesen, daß Bonn sich zeitweise eines Vermittlers in Kairo bediente, des Staatssekretärs im spanischen Außenministerium, Marques de Nerva, der so ungeschickt taktierte, daß ihn seine Auftraggeber in Bonn schließlich nicht einmal mehr empfangen wollten. Tagelang rang die Regierung um eine Lösung. Hunderte von in- und ausländischen Journalisten warteten mehrere Tage stundenlang vor dem Kanzleramt auf eine angekündigte, dann mehrmals verschobene Entscheidung, die dann unter fadenscheinigen Vorwänden nicht kam.
Bundeskanzler Erhard machte den endlosen Diskussionen, was bloß zu tun sei, um dieser Konflikte Herr zu werden, schließlich ein Ende. Wie es dazu kam, schilderte er so: „Ich sagte mir, jetzt frage ich überhaupt niemanden mehr, jetzt nehme ich diplomatische Beziehungen zu Israel auf.“ Und zu seinen Ministern sagte er stolz, kurz und bündig: „Meine Herren, ich brauche Sie jetzt nicht mehr.“ Auch dieser letzte Akt ist ein Beweis für die Richtungslosigkeit der Bonner Nahostpolitik in den vorangegangenen Jahren.
Und so begann auch noch die Mission des Bundestagsabgeordneten Kurt Birrenbach mit einem Kuriosum. Kanzler Erhard hatte Tage zuvor beschlossen, Birrenbach nach Israel zu entsenden, um den Israelis klar zu verstehen zu geben, daß die versprochenen Waffenlieferungen in Geld umgewandelt werden müßten. Zugleich hoffte er, mit der Aussicht auf die Eröffnung eines deutschen Konsulats in Israel die Israelis zufriedenstellen zu können. Während Birrenbach aber im Flugzeug nach Israel saß, entschied sich der Kanzler für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel. Als sein Unterhändler nun in Lod eintraf, wurde er über Lautsprecher ausgerufen, zur Information zu kommen. Er aber beschloß, dieser Aufforderung nicht Folge zu leisten, da er in geheimer Mission nach Israel geflogen war. Und so kam es, daß Birrenbach von der neuen Entscheidung in Bonn keine Kenntnis hatte, als er den israelischen Verhandlungspartnern gegenübertrat, die sehr erstaunt waren, als sie längst überholte Vorschläge zu hören
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