Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
der Tatsache bewußt, daß sich die Deutschen, eben weil sie die diplomatischen Beziehungen zu Israel ablehnten, in einer gewissen Schuld Israel gegenüber befanden. Er leitete damit ungewollt eine Politik ein, die es den Deutschen ermöglichte, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen immer wieder hinauszuzögern.
Die beiden alten Herren verstanden einander von Anfang an. Als Ben Gurion seinen Vorschlag vorbrachte, die Bundesrepublik möge sich an der Entwicklung seines Landes zehn Jahre lang mit einer Anleihe von jährlich 50 Millionen Dollar beteiligen, erwiderte Adenauer ohne Zögern, daß Deutschland das tun wolle: „Wir werden Ihnen aus moralischen und aus Gründen der politischen Logik helfen.“ So lauteten seine Worte. Aber auf Einzelheiten über die Höhe der von Ben Gurion genannten Anleihe ging er nicht ein. Er widersprach aber auch nicht. „Ich verstehe, daß Sie prinzipiell mit meinen Vorschlägen einverstanden sind“, sagte Ben Gurion. „Ich bin völlig einverstanden“, war Adenauers Antwort. Noch einmal fragte Ben Gurion: „Wenn ich nach Hause zurückkehre, darf ich sagen: Der Grund ist bereitet?“ Wieder gab Adenauer zur Antwort: „Ja, das stimmt.“
Aber schon die Abfassung des Kommuniqués bereitete den Mitarbeitern der beiden Regierungschefs Schwierigkeiten. Die Deutschen wollten sich auf keinen Fall festlegen lassen, und der vereinbarte Text war dann auch in jeder Richtung auslegbar. Die Israelis wußten nicht mehr, woran sie waren. Als sie eine Art Versuchsballon starteten, indem sie in London durchsickern ließen, daß die Deutschen ihnen eine 500-Millionen-Dollar-Anleihe zugesagt hätten, kam aus Tokio, wohin der Bundeskanzler gereist war, sofort ein Dementi seines Sprechers. Nach langem Hin und Her gewährten die Deutschen schließlich eine geheime Anleihe. Sie wurde absichtlich in ungeraden, stets veränderten Ratenzahlungen als an einen „Geschäftsfreund“ in den Büchern eingetragen. Sie führte schließlich nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen zu der offiziellen Anleihe von jährlich 140 Millionen Mark, die noch heute gegeben wird.
So ähnlich ist es auch dann bei den geheimen Waffenlieferungen an Israel zugegangen, die durch nichts außer durch mündliche Absprachen zwischen dem damaligen Bonner Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß und dem Staatssekretär im israelischen Verteidigungsministerium, Schimon Peres, festgelegt waren. Auch sie waren eine Art Ersatz für die vorenthaltenen diplomatischen Beziehungen. Und auch diese führten zu den kuriosesten Zwischenfällen. So blieben z. B. zwanzig voll ausgerüstete Panzer, die zur Lieferung an Israel gehörten, mit ihrem zu hohen Aufbau für jedermann sichtbar in einem Tunnel in Italien stecken. Oder Kisten mit Munition wurden versehentlich an einem falschen Kai in Genua ausgeladen, von den Italienern geöffnet und als Geschenk für sie gefeiert.
Aber derart war eben der Charakter der israelisch-deutschen Beziehungen in jenen Jahren. Biblisch ausgedrückt: „Und grüß’ mich nicht unter Palmen.“ Adenauer, der zum Architekten dieser wahrhaft zwielichtigen und im Zwielicht sich abspielenden Beziehungen geworden war, hat das sicher nicht gewollt. Doch er stand ständig unter dem Druck seiner Minister, im besonderen seines Außenministers Gerhard Schröder, der ihn bis zuletzt gegen eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel beeinflußte, immer mit dem gleichen Argument, die arabischen Staaten könnten sich in einem solchen Falle mit der Aufnahme offizieller Beziehungen zur DDR rächen. Adenauer, der als Kanzler die Richtlinien der Politik hätte bestimmen können, hat von seinem Privileg in dieser Frage keinen Gebrauch gemacht. Jedoch mußte diese Politik der Heimlichkeiten eines Tages scheitern.
Viele Menschen in der Bundesrepublik, denen die geheimen Abmachungen zwischen der Bundesrepublik und Israel natürlich unbekannt waren, fanden die Art der Behandlung Israels höchst unwürdig, unmoralisch und unerträglich. Sie gaben dem auch in immer stärker werdenden Maße Ausdruck. Erklärungen, Resolutionen, Aufrufe für die Herstellung von Beziehungen mit Israel waren an der Tagesordnung. Schon 1951 hatten Erich Lüth und Rudolf Küstermeier die „Frieden-mit-Israel-Bewegung“ gegründet, weil es sie erregte, daß von offizieller Seite zu diesem Punkt nichts gesagt wurde. Die Zahl der Reisenden nach Israel nahm stetig zu, ebenso wie die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern beider Länder, die als
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