Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
unter einer weit rechts stehenden Regierung, die sich für die Einverleibung der besetzten Gebiete stark machte, blieb in Deutschland unverständlich. Als Kanzler Kohl es für nötig hielt, sich anläßlich des 40. Jahrestages des Kriegsendes auf dem Friedhof von Bitburg gemeinsam mit dem amerikanischen Präsidenten Reagan auch vor den Gräbern von Waffen-SS-Männern zu verneigen, und Unverbesserliche ungeniert in Deutschland antisemitische Äußerungen machten, da hatten die meisten Menschen in Israel das Empfinden, daß dieses Deutschland trotz Bundespräsident von Weizsäcker immer noch nazistisch verseucht sei.
Der Golfkrieg tat dann ein Übriges: Er belastete die politischen Beziehungen und nun auch die zwischenmenschlichen Kontakte zwischen Israel und der Bundesrepublik aufs Schwerste. Als sich nämlich herausstellte, daß westdeutsche Firmen, die Giftgashersteller allen voran, den Kriegsverbrecher Saddam Hussein ohne die geringsten Skrupel aufgerüstet hatten, und dies auch der Bundesregierung nicht verborgen geblieben war, da schlug die Empörung in Israel hohe Wellen. Das konnten auch die plötzlichen finanziellen Zuwendungen Bonns für Israel zur Beseitigung der durch den Krieg entstandenen materiellen Schäden nicht ausgleichen. Es waren Schecks ohne moralische Deckung, die Außenminister Genscher noch während des Krieges nach Israel brachte. Hinzu kam noch, daß, während die Israelis Grund hatten, um ihr Leben und ihr Land zu bangen, Tausende, vornehmlich junge, Deutsche auf die Straßen gingen, um gegen den Krieg zu demonstrieren, den die Anti-Irak-Koalition führte. Nur eine verschwindende Minderheit protestierte gegen den Mann, der diesen Krieg verursacht hatte, als er ein anderes Land überfiel. Am kleinsten war wohl die Zahl derer, die ihre Solidarität mit Israel offen bekundeten, das nun Tag für Tag von den Raketen Saddam Husseins bedroht wurde. Protestkundgebungen vor deutschen Firmen, die den Irak mit Giftgas beliefert hatten, waren ebenfalls nicht sehr zahlreich.
In Israel begriff man diese Massendemonstration für Frieden und gegen den Krieg als eine Parteinahme für den irakischen Kriegsverbrecher. Man muß sich dabei einmal vergegenwärtigen, was es für einen Israeli bedeutete, bei Alarm in einem abgedichteten Zimmer zu sitzen, auf die Einschläge der Raketen zu warten und zugleich auf dem Fernsehschirm derartige Demonstrationen mitansehen zu müssen. Völliges Unverständnis war die Folge.
Der Zusammenschluß der beiden deutschen Staaten erweckte in Israel Erinnerungen an Groß-Deutschland. „Das jüdische Volk hat sechs Millionen Gründe, sich einer Wiedervereinigung zu widersetzen“, hieß es in einer israelischen Zeitung. Die Tatsache, daß in der Präambel des Einigungsvertrages ein ausdrückliches Bekenntnis zur nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands und zur Massenvernichtung der Juden fehlt, verstärkte noch die Vorbehalte vieler Israelis und die Furcht vor diesem neuen Deutschland. Die kurz nach der Wiedervereinigung einsetzenden Ausschreitungen gegen Ausländer auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und die Lässigkeit, mit der man in Bonn damit umging, gaben dem Argwohn der Israelis neue Nahrung. Später bewiesen Ergebnisse von Kommunal- und Landtagswahlen, daß sich der Rechtsradikalismus, verbunden mit Ausländerhaß, auch in der alten Bundesrepublik wieder breitmacht. Darum ist es wohl nicht verwunderlich, wenn die Israelis die Entwicklung in Deutschland mit wachsender Unruhe verfolgen und auch viele junge Bewohner des jüdischen Staates, die bereit waren, Deutschen ihren Alters ohne Vorbehalte zu begegnen, sich enttäuscht abwenden.
Tatsache ist also, daß die Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik mit dem Beginn der neunziger Jahre einen neuen Tiefpunkt erreicht haben. Gewiß, es hat seit 1965, dem Beginn offizieller Beziehungen, immer wieder Konflikte gegeben, die das Verhältnis der beiden Staaten belastet haben. Dennoch entstanden zahlreiche menschliche Kontakte zwischen Angehörigen der beiden Staaten, die schnell über eine erste Neugier hinausgegangen waren. Und diese zwischenmenschlichen Beziehungen, die auf natürliche Weise gewachsen waren, schienen der Garant dafür zu sein, daß mit den Jahren eine Annäherung der beiden Völker Selbstverständlichkeit werden würde, unabhängig von staatlichen Belangen. Diese Entwicklung hat nun durch den Golfkrieg, die Teilnahme der deutschen Wirtschaft und Technik an der Aufrüstung des Irak und auch
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