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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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Glaubwürdigkeit über die Schrecken jener Zeit den Boden zu sichern. So ist es heute.
    Wie aber wird es morgen sein? Wenn jene Menschen, die heute über die Greuel der Nazidiktatur aufzuklären suchen, nicht mehr unter uns sind? Wird allein das in Büchern, Filmen, Dokumentationen Mitgeteilte ausreichen, um nachkommenden Generationen das damalige Geschehen als Wirklichkeit zu vermitteln? Oder wird das leidvolle, wohl oft auch als leidig empfundene Thema ad acta gelegt werden?
    Es ist schwer, dazu eine endgültige Voraussage zu machen. Am einfachsten wäre es natürlich, wenn man das Kapitel abschließen, es im Archiv einordnen könnte. Doch das kann man eigentlich nur mit Ereignissen tun, die man erklären und damit begreifen kann, deren Ursachen wie deren Ausführung. Nun handelt es sich bei dem Thema Holocaust eben um eine für die meisten Menschen unbegreifliche Materie. Und Unverstandenes bleibt lebendig, je nach Temperament, als störende Frage oder quälendes Problem, das immer wieder auftaucht, irgendwo, irgendwann, irgendwie bei der Beschäftigung mit der Historie oder bei der Betrachtung der Familiengeschichte.
    So wird die Frage, wie es geschehen konnte, eine offene Frage bleiben. So will es die Logik. Beweisen uns das nicht schon heute unsere Kinder, die dritte Generation nach dem Geschehen? Sie stellen Fragen, sie wollen wissen. Fragen, die ihnen ihre Eltern nicht beantworten können, die ihrerseits derartige Fragen an ihre Eltern stellten und keine Antworten erhielten. Die einen aus Gewissensnot, die andern aus Unkenntnis. Darum werden die vielen Bücher, Filme, Dokumentationen nicht auf dem Müll der Geschichte landen. Dafür wird die Frage auch nachfolgender Generationen Sorge tragen. Die Frage: Wie war das möglich?
    Doch solange die Frage Rätsel aufgibt, besteht auch die Gefahr ähnlicher Verbrechen wie damals, als man Menschen sortierte, diskriminierte, quälte und schließlich mordete. Die „ethnischen Säuberungen“ in Bosnien vor unserer Haustür, die den nazistischen in wenig nachstanden, geschahen vor wenigen Jahren. Ähnliches spielt sich noch heute in den verschiedensten Staaten dieser Erde ab. All das nur einige wenige Jahrzehnte nach den schrecklichen Verbrechen des Naziregimes, die die Menschen gelehrt haben sollten, daß ein jeder Mensch auf dieser Erde ein Recht auf Leben hat.
    Um so wichtiger, ja unerläßlicher ist es, daß das Thema „Nationalsozialismus“ einen breiten Raum im Lehrplan einnimmt. Und wenn es nur dazu dient, Gefahren ähnlicher Art frühzeitig zu erkennen und ihnen rechtzeitig zu begegnen. Die Menschheit wird aber von den Gefahren solcher Verbrechen erst frei sein, wenn die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Hintergründe, die den Nazis den Weg zur Macht bereiteten, wirklich aufgeklärt sind. Und das ist nicht Aufgabe der Schule.

Aus der Vergangenheit lernen
„Stille Helden“
    Es ist mir eine besondere Freude – fast möchte ich es als ein Wunder bezeichnen, daß ich heute hier vor Ihnen stehe und mit Ihnen über ein Thema nachdenke, das mich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges beschäftigt. Als eine der Überlebenden oder genauer gesagt, als eine, die von mutigen Berlinern gerettet worden ist, war ich nie frei von dem Gefühl, es der ganzen Welt mitteilen zu müssen, daß es auch in Nazi-Deutschland Menschen gegeben hat, die ihren Kopf riskierten, um andere aus den Klauen ihrer Mörder zu retten. In England, wo ich die ersten Nachkriegsjahre verbrachte, glaubte mir das niemand. In den USA begegnete ich noch vor wenigen Jahren Menschen, die mich der Lüge bezichtigten, als ich von diesen Helden sprach. Nur in Berlin gab es schon frühzeitig Anerkennung für diese Retter. Die Stadt half jenen von ihnen, die durch das Kriegsende in eine finanzielle Notlage geraten waren. Wobei manchmal merkwürdige Maßstäbe angelegt wurden. Einer Puffmutter, die vier jüdische Frauen versteckte, unter ihnen jüdische Mädchen – eine von ihnen eine blinde Heimarbeiterin der Blindenwerkstatt Weidt –, wurde die dringend benötigte Hilfe „aus moralischen Gründen“ verweigert.
    Die Nachricht vom Tode Otto Weidts, zwei Jahre nach Kriegsende, erreichte mich in England, der schlechten Postverbindungen wegen sehr spät. Sie traf mich tief. Wir alle, die bei ihm arbeiten durften, haben diesen Mann verehrt. Er gab uns nicht nur praktische Hilfe. In der Art, wie er uns zur Seite stand, tat er etwas für jene Zeit Unglaubliches: Er behandelte uns wie Menschen, kam uns

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