Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
einer benachbarten Galerie beschäftigt, fand heraus, daß die drei letzten authentischen Räume der Blindenwerkstatt nur mit Schutt und Müll zugeschippt, während die anderen vermietet waren.
Sechs ihrer Kollegen beschlossen, sie zu säubern und dort eine erste Ausstellung über Otto Weidt, auch mit Hilfe einiger in meinen Händen befindlichen Dokumenten, aufzubauen. Einen Monat glaubten wir sie offenhalten zu können. Zwei der am Aufbau der Ausstellung beteiligte Studenten boten sich an, sie auf ehrenamtlicher Basis weiter offenzuhalten. Der vom israelischen Botschafter Awi Primor herbeigerufene Staatsminister für Kultur, Dr. Michael Naumann, fand, daß in diesen Räumen, in denen sich Geschichte abgespielt hatte, eine Dauerausstellung entstehen müßte. Seine Idee, sie an das Jüdische Museum anzugliedern, wurde mit der großen Unterstützung des Bundespräsidenten Johannes Rau 1 1/2 Jahre später realisiert.
Doch das Märchen hatte noch weitere Kapitel. Nach einem Vortrag in Boston 1994, in dem ich auch über Otto Weidt berichtete, stand plötzlich ein Herr vor mir, dessen Anblick mich erschreckte. Die Form seines Gesichtes, seine Bewegungen, seine Ausdrucksweise – es war Gary, der Sohn meiner Kollegin Alice Licht, der seiner Mutter so ähnlich sah. Gary erfuhr durch meinen Vortrag vieles über seine Mutter, die bereits gestorben war. Sie hatte nie über die Zeit bei Otto Weidt gesprochen. Wie so viele Gerettete nicht fähig sind, das Erlebte in Worte zu kleiden. Gary und ich trafen uns in seinem Kibbuz in Israel wieder. Seine Anwesenheit in Boston und damit unser erstes Zusammentreffen war rein zufällig zustande gekommen. Wir verdanken Gary eine ganze Reihe von Dokumenten aus der Hinterlassenschaft seiner Mutter, die Eingang in unsere Ausstellung gefunden haben.
Die uns von Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, versprochene Dauerausstellung kam schließlich zustande, gleichzeitig mit der Wiedereröffnung der gesamten Fläche, die einst die Blindenwerkstatt ausmachte.
Und dies geschieht in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, der wir vor einigen Jahren angegliedert wurden. Hier erfahren wir von Professor Dr. Tuchel und seinen Mitarbeitern großartige Unterstützung, die unsern Traum vom Zentrum für Stille Helden mit der Blindenwerkstatt und Otto Weidt als Mittelpunkt verwirklichen wird.
Doch ich möchte Ihnen auch davon berichten, daß wir vom ersten Tag unserer Existenz an im Jahr 1999 bestrebt waren, alles zu tun, um dem Aufbau eines Museums gerecht zu werden. Wir registrieren schon jetzt nach nur knapp sechs Jahren 20.000 Besucher pro Jahr, und diese Zahl steigt stetig. Eine große Zahl von Besuchern kommt übrigens aus den USA und vor allem aus Israel. Diese Zahl schließt Gäste ein, die zu unseren Veranstaltungen kommen mit Themen, die unserer Arbeit entsprechen. Dazu haben wir etwa 300 Führungen von Schulklassen im Jahr. Auch hier gibt es erfreulicherweise eine steigende Tendenz. Wobei ich bemerken möchte, daß mich die Zahl der Besucher und Schüler aus der ehemaligen DDR nicht befriedigt. Die Gründe für das Desinteresse der Ostdeutschen für unser Museum und dessen Inhalt ist mir unverständlich.
Im Jahr 2000 gründeten wir den Förderverein „Blindes Vertrauen“. Wir haben heute über 100 Mitglieder, von denen man uns sagt, diese Zahl sei erfreulich hoch. Uns reicht sie natürlich noch nicht. Wir haben in diesen ersten Jahren fünf Ausstellungen präsentieren können. Dabei kam uns der Maler Bruder Lukas Ruegenberg zu Hilfe, der unser Kinderbuch „Papa Weidt“ illustriert hat und seine Bilder zu einer Ausstellung zur Verfügung stellte – eine Ausstellung, die in Westdeutschland immer noch gezeigt wird. Von ihm stammte auch die Ausstellung seiner Bilder zum Jugendbuch „Jakob der Lügner“ von Jurek Becker. Die Karten aus Theresienstadt ergaben eine Ausstellung mit dem Titel „Zwischen den Zeilen“.
Eine Ausstellung galt Erich Frey, einem stark sehbehinderten Mitarbeiter der Blindenwerkstatt, den Weidt, wie wir erst vor wenigen Jahren erfuhren, in einem der Keller des Hauses Rosenthaler Straße versteckt hatte. Frey ist leider von der Gestapo geschnappt und nach Auschwitz deportiert worden. Unsere bisher letzte Ausstellung über das Jüdische Kinderheim in Niederschönhausen, das Otto Weidt unmittelbar nach dem Krieg wieder aufzubauen mithalf, wird von anderen Museen dieser Stadt übernommen werden.
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