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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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Aufträge der Wehrmacht für Besen und Bürsten verschafften ihm die dafür nötigen Rohmaterialien. Mit der Ausführung dieser Aufträge eilte es ihm nie. Um sich der Gunst der Gestapo zu versichern, die die Oberaufsicht über alle Arbeitsstätten hatte, die Juden beschäftigten, verhalf Weidt auch diesen zu Waren, die über den Ladentische nicht zu haben waren. So gelang es Weidt von Mal zu Mal, seine Arbeiter von den Deportationen „freizukaufen“.
    Die regelmäßigen Transporte jüdischer Menschen in die Vernichtungslager (ab Oktober 1941) ließen keinen Zweifel mehr daran, daß die Nazis ihr Programm, Berlin „judenrein“ zu machen, auch durchführen würden. In Berlin hatte es die größte Jüdische Gemeinde Deutschlands gegeben. Einige Juden hatten eine bedeutende Rolle im Leben der Stadt gespielt. Der Propagandaminister der Nazis, Joseph Goebbels, stellte in seinem Tagebuch fest, „Berlins Befreiung von den Juden“ sei einer der wichtigsten Erfolge des Regimes. Als Otto Weidt dies klar wurde, suchte er Verstecke für einige seiner engsten Mitarbeiter. Eines davon befand sich in der Werkstatt, ein anderes in einem sogenannten Außenlager seines Betriebes. Verrat führte nach einigen Monaten zur Verhaftung der meisten bei Weidt versteckten Juden. Dennoch fügte sich die Gestapo seinem Wunsch, seine Schützlinge „nur“ in das sogenannte Vorzugslager Theresienstadt zu deportieren. Dorthin schickte er Pakete mit Lebensmitteln, etwa hundertfünfzig an der Zahl, wie entsprechende uns vorliegende Bestätigungen beweisen. Als er erfuhr, daß eine seiner engsten Mitarbeiterinnen von Theresienstadt nach Auschwitz transportiert worden war, versuchte er alles, um sie zu befreien. Es gelang ihm auch tatsächlich in den letzten Monaten ds Krieges.
    „Ich finde es ,super‘, daß er [Weidt] sich für Juden eingesetzt hat. Ich hätte es auch gern getan. PS: Ich hasse die Nazis.“ Robert, 12 Jahre
    „Blindes Vertrauen“ – versteckt am Hackeschen Markt 1941 – 1943“ –, das ist der Titel der Ausstellung, die in drei von der Blindenwerkstatt Otto Weidt verbliebenen Räumen, Rosenthaler Straße 39, Berlin-Mitte, eingerichtet worden ist.
    Vor einigen Jahren hatten Studenten der Museologie diese Räume entdeckt, die nahezu unverändert und unversehrt erhalten geblieben sind. Sie nutzten sie, um die Geschichte Otto Weidts in einer Ausstellung darzustellen. Schließlich ist es der einzige authentische Ort in Berlin, in dem der Besucher etwas von der Atmosphäre jener Zeit und der Not der dort arbeitenden Menschen spüren kann. Dokumente, Fotos, Briefe geben einen plastischen Einblick in jene schrecklichen Jahre. Lehrer, auch außerhalb von Berlin, nutzen diese Ausstellung, um ihre Schüler in das Thema Holocaust einzuführen und ihnen zugleich einen Mann vorzustellen, für den Zivilcourage und Menschlichkeit oberstes Gebot waren. 1999 wurde das Museum eine Dépendance des Jüdischen Museums Berlin; wenige Jahre danach wurde es in die „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ eingliedert.
    „Ich wollte es erst gar nicht glauben. Aber hier …“ „Die Klasse aus Lychen hat was gelernt.“ Eintragungen einer 10. Klasse ins Gästebuch der Ausstellung.
    Unter den Briefen wird der Leser solche von Jugendlichen aus dem Osten Berlins und seinem Umland vermissen. Das Interesse der Lehrer an einer Darstellung der Judenverfolgung in der Nazizeit war in den vierzig Jahren der kommunistischen Diktatur geringer als im demokratischen Westen. Das hatte seinen Grund. Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erklärte Stalin Juden zu Todfeinden, die ihm nach dem Leben trachteten. Verhaftungen, ja sogar vollstreckte Todesurteile waren im kommunistischen Machtbereich damals an der Tagesordnung. In der DDR wurden Juden, die aus der Emigration zurückgekehrt waren, zu dieser Zeit diskriminiert und geächtet. Nach Stalins Tod endete zwar die Ausgrenzung der Juden in diesem deutschen „demokratischen“ Staat. Was aber blieb, war ein schwelender Antisemitismus, der erneut entfacht wurde, als der Kreml in den sechziger Jahren zu tätiger Unterstützung arabischer Terroristen gegen Israel aufrief, dem er seiner engen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika wegen als einem imperialistischen Staat das Lebensrecht verwehren wollte. Argumente aus jener Zeit, verbunden mit einer in einer Demokratie natürlich berechtigten Kritik an Israel, mögen noch heute in Teilen der Gesellschaft des ehemaligen kommunistischen

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