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Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Titel: Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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kurvenrund und von libanesischer Lebensfreude. Ihre preußische Freundin kalkweiß, mit schmalen Wangen und Augen wie aus einem Gruselfilm. Fenstergroß und zugleich ein wenig dreieckig schauen sie voller Skepsis in die Welt. Die Freundinnen haben jeweils zwei große Flaschen Rotwein dabei, richtige Kannen, die bei Rewe auf Fußhöhe im Regal stehen. Sieht nach WG-Party aus, kann aber auch ein lustiges Besäufnis am Spreeufer werden. Kilian selbst hält eine Flasche Cola in der einen und einen Liter Pott Rum in der anderen Hand. Der Rum beschert ihm ein respektvolles Nicken der Libanesin. Sie könnte, so wie sie da sitzt, bei X-Factor auftreten. Charaktergattung: feurige Frau mit Furor in der Stimme. Vielleicht nickt sie auch gar nicht wegen der Rumflasche, sondern weil sie eine so abgefahrene Klamottenkombination wie die von Kilian noch nicht auf dem samstäglichen Weg zur Party gesehen hat.
    Kilian genießt es, in diesen Momenten dazuzugehören. Und er weiß ganz genau, dass er erst wieder morgen früh um 7:30 Uhr auf dem Rückweg in dieser Bahn stehen wird.
    Merke ➙ Tief in jedem Partygänger lebt noch das Kind, für das der größte Spaß am Feiern darin besteht, die Nacht durchzumachen. Ganz egal, wie. Es ist schließlich nicht lange her, dass man klein war. Damals sagten die Eltern nur bei besonderen Festen: »Du darfst so lange aufbleiben, wie du kannst .« Und schmunzelten dann, wenn den Kindern schon um ein Uhr nachts die Augen zufielen. Heute bedeutet »so lange aufbleiben wie du kannst« tatsächlich: bis zum nächsten Morgen. Ein herrlicher Triumph.
    Der Parkplatz der Location ist gut gefüllt. Kilian manövriert zu Fuß durch die Autos. Er denkt an die Worte des Rillenbrillenmannes am letzten Samstag: »Ganz schön horny, die Weiber da, oder?«
    Gleich wird er wieder mit ihnen zusammen sein, diesen Weibern, die ganze Nacht. Der Weg führt ihn nach unten, in die Katakomben, wo das Licht immer fahl ist, obwohl die Neonröhren summen. Schwarz-weiße Granitfliesen bilden den Boden. Seine Schritte hallen. Er ist früh dran. Der Rum plätschert in dem runden Kubikzentimeter Spielraum, den ihm der Flaschenhals lässt. Kilian ist bereit für eine lange Nacht, biegt um die Ecke … und öffnet seinen Spind.
    Er legt die Flasche Pott ins obere Fach, stellt die Cola oben auf den Stahlschrank, streift sich den Helm und die gelbe Weste ab, zieht die schwarzen Klamotten aus, klappt die Hornbrille mit Fensterglas zusammen und schlüpft in seine weiße Altenpflegerkluft. Die Füße schiebt er in große massive Schlappen, die aussehen, als hätte sich ein Paar holländischer Holzschuhe in braunschwarzes Gummi verwandelt. Mit einem metallischen Krachen schließt er den Schrank und steckt den Schlüssel in die Hose. Die Flasche Cola nimmt er mit. Im Aufzug herrscht für ein paar Sekunden das letzte Mal für diese Nacht Ruhe, dann flutet das Schwesternrufen, Schlappenschlurfen und Schellen der Zimmerklingeln durch die sich öffnenden Lifttüren. Die Abendkräfte übergeben ihm die Nachtschicht. Er ist nun allein mit vierundzwanzig belegten Betten, einem Azubi und einem Praktikanten; von nun an wird er keine Sekunde ruhen. Action bis morgen früh, denn die Frauen im Pflegeheim machen am Samstag die Nacht zum Tag. Im Zimmer von Frau Kramer eröffnet Florian Silbereisen gerade in Schwerhörigenlautstärke das Fest der Volksmusik . Aus Herrn Wiebuschs Zimmer am Ende des Flures schickt Tom Astor trappelnde Country-Hufe durch den abwaschbaren Flur.
    Kilian denkt an die Worte des Rillenbrillenmannes: »Warst wohl auf einer Bad-Taste-Party, wa?«
    Für seine Lieblingsbewohnerin nimmt sich Kilian alle Zeit, die er hat, wenn gerade kein anderer klingelt. Hildegard – sie möchte, dass er sie beim Vornamen nennt – sitzt wie jeden Samstag top gestylt in ihrem Ohrensessel und hat die Rommékarten bereitgelegt. Es stört sie nicht, dass sie ihr Spiel im Grunde alle paar Minuten unterbrechen müssen. In ihrem Zimmer laufen alte Chansons. Immer wieder hebt sie zwischen den Partien den Finger mit dem rot lackierten Nagel und deutet leicht zitternd auf das kleine CD-Radio, das die Kommode ziert. »Mach mal den Aznavour, mein Süßer!«, sagt sie dann und Kilian legt die CD ein. Hildegard war selbst Sängerin in den 60ern, eine »Lebefrau«, wie sie sagt. »Bist der Beste!«, bedankt sie sich bei Kilian, zieht ihn zu sich und drückt ihm mit rot geschminkten Lippen einen Kuss auf die Wange.
    Was sagt die Wissenschaft? ➙ Jede Party ist

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