Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
Garage steht. Das Motorrad gehört Tante Carinas Mann Peer, der am Wochenende nicht da ist. Er leitet irgendein Seminar in Braunschweig, das heißt, er steht vorne vor einer Leinwand und zeigt mit einem Laserpunkt auf Diagramme. Jannis glaubt, Peer hat noch nie richtig gearbeitet. Onkel Uwe denkt wohl, dass das Motorrad weniger wert ist, als Onkel Gerd behauptet, denn er wedelt mit der Hand hin und her, als der seine Schätzung abgegeben hat und saugt dabei an einer Bierflasche. Im Radio singt Bruno Mars darüber, dass er sich heute nicht danach fühlt, irgendwas zu tun. Die ganzen anderen Männer kennt Jannis nicht, denn sie tragen kein »Onkel« vor ihrem Namen. Zwei davon stehen genau zwischen dem Haus und der Baustelle und schauen komisch in die Luft, als prüften sie, ob die Dachrinne womöglich ein Leck hat. Der eine hält eine Wasserflasche in der Hand und nimmt daraus ab und zu einen Schluck. Der andere stemmt die Arme in die Hüften und beugt sich nach hinten, als ob er Rückenschmerzen habe. Neben ihm steht eine Schubkarre an die Wand gelehnt. Er sieht sie kurz an, aber es wirkt so, als ob er denkt: Dieses Gerät da und ich haben nichts miteinander zu tun.
Merke ➙ Je mehr »Helfer« sich auf einer privaten Baustelle aufhalten, desto weniger arbeiten. Im Grunde arbeitet niemand. Außer den Kindern und den zwei Fachleuten aus der Verwandtschaft, die »Ahnung haben«. Und den Frauen natürlich, weil sie das Leben ernst nehmen.
Als Jannis ins Haus geht, um schnell Pipi zu machen, sieht er aus dem Fenster nach vorne raus, wer eigentlich dem Kai die ganze Zeit die schweren Steine von den Paletten in die Schubkarre stapelt. Es sind Tante Carina und ihre Freundin Silke. Sie tragen große, schwarze Arbeitshandschuhe, und sie schwitzen, obwohl es längst Herbst ist. Das ist kein Wunder, denkt Jannis, immerhin verlädt jede der beiden Frauen heute 9,5 Tonnen Steine. Jannis ist gut in Mathe. Die Haare von Silke sehen schön aus, auch wenn sie nass auf der Stirn kleben, denn sie sind rot wie bei Pippi Langstrumpf. Um sie und Tante Carina herum harkt Opa Friedhelm mit einem großen Rechen Laub. Das macht er schon den ganzen Tag. Opa Friedhelm kann nicht mehr schwer heben, aber im Laubharken ist er super. »Es macht ja sonst keiner«, sagt er immer ganz laut, wenn er mal den Kopf hebt, »die denken alle, das sei wilde Natur!« Dann senkt er den Kopf wieder und saust um das große Gelände herum, um die wilde Natur zu bändigen.
»Ich brauch Steine hier hinten!«, brüllt Jannis’ Papa von der Pflasterfläche, und er beeilt sich, seine Blase zu leeren. Tante Carina und Silke werfen draußen vor dem Badezimmerfenster die Ziegel noch schneller in die Schubkarre. Sie haben den Befehl ebenfalls gehört. Kai hält bereits die Griffe der Karre fest, macht dabei lange Arme und schaut aus seinen Augenschlitzen über die Kuhweiden, während der Stängel in seinem Mund kleiner wird.
Gegen zwölf Uhr mittags bringt Oma Karin, Opa Friedhelms Frau, das heiße Essen. Noch einen Topf, voll mit heißem Gulasch. Sie trägt ihn über den Kiesweg am Gemüsegarten mit der Hütte vorbei zur Essensgarage. Das Radio spielt »The Lazy Song« schon zum zweiten Mal. Bruno Mars singt, dass er heute den ganzen Tag im Bett verbringen und nicht ans Telefon gehen wird. »Steine!!!«, ruft Jannis’ Papa, der zu seinen Füßen pflastert, weil Jannis für eine Sekunde lang aufgehört hat, ihm Nachschub aus der Schubkarre zu geben. Er beachtet den Gulaschtopf gar nicht. Onkel Gerd hingegen klatscht freudig in die Hände: »Endlich gibt’s was zu essen!« Auch Onkel Uwe freut sich. Nach all dem Bier, das er schon getrunken hat, knurrt ihm der Magen. Die beiden Männer, die immer nur rumstehen, sollen mehr Bierbänke holen, da die zwei in der Garage nicht ganz reichen. Sie gehen durch den Gemüsegarten und zerren die Dinger von einem Stapel unter dem alten Pavillon. »Mann, Mann, Mann …«, scherzen sie, als sie damit wieder vor den Garagen ankommen. »Da muss man auch noch schwer malochen, bevor man essen darf!«
Merke ➙ Für private Baustellen gilt die umgekehrte Version eines alten puritanischen Spruches: »Wer nicht arbeitet, soll auch gut essen!«
Auf Befehl von Oma Karin sitzen irgendwann alle an der Klapptafel. Sogar Jannis, sein Papa, der Kai und die Frauen. Onkel Gerd hat sich ganz eng neben die Silke gesetzt. Er neigt den Kopf zu ihr und sagt: »Jetzt erst mal ein schönes Bierchen!« Dann nimmt er sein Smartphone, hält es so, dass
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