Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
von den nassen Kacheln zieht. Ulrike hat ihn gut erzogen, aber sie muss immer dranbleiben. Es ist eine Sache der Konsequenz, ähnlich wie bei Hunden. Alexandra reicht ihr ein neues Fläschchen des fruchtig-bitteren Frauenaufheiterers. Auf der Spüle liegt Lilli, die Katze des Hauses. Unter ihr brummt die Spülmaschine, was den dunkelblauen Kunststein erwärmt und so ihrem Bauch eine wohlige Heizung bietet. Ihr friedlich schnurrendes Gesicht erinnert an Mutter Teresa.
Jana sagt: »Ulrike! Die Silvesternacht ist die wichtigste Party des Jahres, so wie das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages ist. Man startet mit ihr in das neue Jahr.«
Sie steht auf und malt Bilder in die Luft.
»Nach einem rauschenden Fest bis 6 Uhr morgens sollten wir am späten Mittag in einem Hotelzimmer mit bodentiefen Fenstern aufstehen, einen seidenen japanischen Bademantel am Körper, und über die Dächer Tokios schauen. Unsere Männer sind in einem anderen Zimmer verschwunden und im Bett unserer Suite liegt ein japanisches Topmodel mit einem Tigertattoo auf der Brust.«
»Es gibt keine japanischen Topmodels«, lacht Alexandra.
»Doch. Diese Kämpfer aus den Martial-Arts-Filmen. Die mit den schwarzen Zöpfen, die perfekt proportionierte Körper haben und dann trotzdem von Jackie Chan umgehauen werden.«
»Wir können es auch einfach wieder hier machen«, brummt Ulrike.
Jonas patscht in Badeschlappen die Treppe hinab. Weder ist er ein Karatekämpfer mit Tigertattoo noch trägt er einen seidenen Bademantel. Seiner ist rosa und aus Plüsch. Er hat ihn in seiner Kindheit von der älteren Schwester übernommen. So wie er dieses Haus von seinen Eltern übernahm.
»Hallo Mädels«, grüßt er in die Runde.
»Hast du die Dusche abgezogen?«, fragt Ulrike, obwohl sie es gerade gehört haben muss. Jana sieht sie mit einem Blick an, der unter Frauen so viel bedeutet wie: Habe ich dir nicht neulich was dazu gesagt?
Jonas nickt und sagt: »Eben im Radio haben sie beim Duschen wieder den alljährlichen Warnbeitrag über Böller gebracht. Der läuft immer drei Wochen nach dem alljährlichen Warnbeitrag über chinesische Lichterketten. Ich nenne ihn auch gerne ›Daumen ab‹-Beitrag. Die tun glatt so, als könne jemand so dämlich sein, den Böller in der Hand zu behalten und stattdessen das Feuerzeug wegzuschmeißen.«
Jonas schlurft zum Kaffeevollautomaten und wirft das Mahlwerk an. Es röhrt. Lilli springt von der Spüle. Solange die Maschine Lärm macht, flüstert Jana Ulrike zu: »Du sollst ihn doch nicht immer so kontrollieren. Er zieht die Dusche schon von allein ab.«
Ulrike sagt: »Wiederholung und Prägung.«
Jana zischt: »Männer sind keine Tiere.«
Ulrike erwidert: »Doch. Sobald sie machen dürfen, was sie wollen, rasten sie aus und fangen an, Dinge in die Luft zu sprengen.«
»Aber nicht dein Jonas.«
»Nur, weil ich am Ball bleibe. Das ist doch grundsätzlich so. Ohne uns Frauen läge längst alles in Trümmern.«
Jana seufzt.
Der Kaffee ist fertig.
Alexandra sagt: »Jonas! Wir sprechen gerade darüber, dass man Silvester durchaus auch mal in Paris, New York oder Tokio feiern könnte.«
»Och«, sagt Jonas in seinem rosa Bademantel, »wir können es auch einfach wieder hier machen.«
Merke ➙ Diejenigen, die einmal anfangen, Silvester auszurichten, werden auf ewig Silvester ausrichten.
Am 31. Dezember ist im Haus von Ulrike und Jonas alles vorbereitet. Auf dem Tisch in der Küche stehen die roten Steingut-Teller für das Fondue. Neben ihnen liegen kleine Spieße mit farbig markierten Spitzen. Zwei Töpfe beginnen langsam unter der Hitze der darunter positionierten Petroleumschälchen zu blubbern. Einer mit heißem Fett, in das Fleisch getaucht wird, und einer mit heißem Käse, in den Brot getaucht wird. Auf dem Wohnzimmertisch nebenan liegen die Löffel und Figürchen für das Bleigießen bereit. Katze Lilli schüttelt Nadeln aus dem vertrockneten Weihnachtsbaum und spielt damit auf den Dielen.
Im ausgebauten Keller stehen mehrere Kästen Bier und die alte Anlage samt Beamer, Leinwand und Spielkonsole bereit. Die Männer werden dort unten verschwinden, wenn die Bäuche voll sind, während die Frauen Zufallsprodukte aus geschmolzenem und dann in Wasser abgekühltem Blei vor ein von hinten beleuchtetes Blatt halten und deren Schattenwürfe deuten. Im Kühlschrank steht der Sekt. Der ausgebaute Keller hat eine Theke, denn er war mal ein richtiger Partykeller. Jonas’ Eltern haben hier unten damals zu »Saturday
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