Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
ungefähr das genaue Gegenteil von dem, was man landläufig eine Naturschönheit nennt. Sie ist Mitte vierzig, sieht aber aufgrund ihrer gegerbten Haut gut und gerne zehn Jahre älter aus. Firmenintern wird sie deshalb auch »die Sonnenbank« genannt.
»Auch ’n Korn?«, will sie wissen.
Während Rüdiger abwinkt, drückt sie Bernd auch schon ein Schnapsglas in die Hand. Die beiden prosten sich zu und kippen den Inhalt ihrer Pinnchen in einem Zug hinunter.
»Auf einem Bein steht sich’s bekanntlich schlecht«, stellt die Sonnenbank fest und ordert ungefragt Nachschub.
Nach dem dritten Korn (»Aller guten Dinge sind drei«) einigt man sich schließlich in gegenseitigem Einvernehmen auf das Du. Bernds Augen werden glasig, seine Bewegungen zunehmend unkoordinierter.
Zwei weitere Pinnchen später (»Vier gewinnt« bzw. »Fünf ist Trümpf«) entdeckt er endlich Ines wieder, die zu den Klängen der Spider Murphy Gang erneut das Tanzbein schwingt.
»Ich muss dann ma’ wie’er …«, teilt er seiner Trinkgenossin mit. Er erhebt sich schwerfällig von seinem Barhocker und torkelt einen Schritt zur Seite.
»Alles okay?«, fragt Rüdiger besorgt.
»All’s supi … All’s voll in Griff!«
An dieser Stelle enden Bernds Erinnerungen an den Abend … Die restlichen Ereignisse wird er tags darauf in mühevoller Kleinarbeit durch Aussagen Dritter rekonstruieren müssen. So wird er beispielsweise von Rüdiger erfahren, dass er sich gegen halb zwei in unmittelbarer Nähe von Iris plötzlich seiner kompletten Oberbekleidung entledigt, um anschließend lautstark »Wir fahren in ’n Puff nach Barcelona« zu intonieren und sich zum großen Finale seiner Darbietung direkt auf dem DJ-Pult zu übergeben.
Wie es jedoch dazu kam, dass Bernd am nächsten Morgen mit abartigen Kopfschmerzen im Bett der Sonnenbank erwachte (und vor allem, wozu die beiden zuvor noch fähig waren), wird ihm Rüdiger bedauerlicherweise ebenso wenig erzählen können wie die Sonnenbank selbst.
Von Ines einmal ganz zu schweigen …
Merke ➙ Im Vergleich zu vielen anderen Partys haben Firmenweihnachtsfeiern den entscheidenden Nachteil, dass man den Großteil der Anwesenden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wiedersehen wird. Wenn’s dumm läuft, nahezu täglich. Man sollte deshalb jederzeit in der Lage sein, das eigene Handeln überdenken und kontrollieren zu können. Zumindest halbwegs …
•Die Firmenweihnachtsfeier
Alkoholpegel: ★ ★ ★ ★
Drama: ★ ★
Erotik: ★ ★ ★
Spaß: ★
Was man erwartet
Ein langweiliges Vorspiel und kostenlose Verpflegung. Danach reichlichen Alkoholkonsum sowie hemmungslosen Sex im trauten Kollegenkreis.
Was tatsächlich passiert
Vieles, was man später bitter bereut. Zum Beispiel den hemmungslosen Sex im trauten Kollegenkreis nach reichlichem Alkoholkonsum.
Was man tun sollte
Finger weg von Hochprozentigem, sobald man von mehr als drei Arbeitskollegen umgeben ist!
Typischer Song
»Last Christmas« von Wham!
Typisches Getränk
Pils für den Mann, Prosecco mit irgendwas für die Dame
Die Silvesterparty
Die Silvesterparty ist das Fest des neuen Jahres. Ein Abend des Friedens und der Rituale. Eine gesellige Zusammenkunft mit Sekt, Blei und kalter Muschi. Ungünstig ist nur, dass dies dem bösen Nachbar nicht gefällt …
»Der Eiffelturm«, sagt Alexandra. »Man müsste wenigstens mal die Neujahrsnacht in Paris verbringen.« Sie sieht ihre Freundinnen über den Küchentisch an und nippt an ihrem Aperol Spritz. Der Küchentisch gehört Ulrike. Ein einfacher, weißer Tisch mit Sitzbank drumherum. Jonas’ Eltern haben daran Pläne geschmiedet, als ihnen das Haus noch gehörte. Nun sitzen Ulrikes Freundinnen unter der dreistrahligen Edelstahllampe und entwerfen Ideen für das diesjährige Silvesterfest.
»Ich bin für New York«, wirft Jana ein, froh über ihre verwegene Idee. »Der Countdown am Times Square, zwischen all den Häusern und Leuchtreklamen, die man seit der Kindheit aus Filmen kennt.«
Ulrike seufzt.
»Wir können es auch einfach wieder hier machen.«
»Wir machen es immer bei euch«, sagt Alexandra. Einerseits sehnt sie sich tatsächlich nach etwas Außergewöhnlichem. Andererseits hat sie bereits jetzt das Zischen im Ohr, das ertönt, wenn ein geschmolzener Bleiklumpen in eine Schale mit kaltem Wasser geworfen wird. Im Obergeschoss geht das Wasser der Dusche aus, und die Frauen hören, wie Ulrikes Freund Jonas mit dem Abzieher aus Gummi quietschend das Spritzwasser
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