Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
innerlich geplant hat. Sie ist wirklich kurz davor aufzustehen, ihn an die Hand zu nehmen und mit ihm entlang des Tals zu spazieren, um ihn mit Blick auf die duftenden Tannen das erste Mal zu küssen. So hat sie es vor. Würde Benjamin das ahnen, könnte er den Lachkrampf, der sich nun aus ihm Bahn bricht, vielleicht irgendwie bändigen. Er weiß nicht warum, aber die Alm und das Kissen sind plötzlich das Lustigste, was er jemals gesehen hat.
»Die Kuh!«, gackert er los, »die Kuh!«, und zeigt dabei auf Jenny. Alle im Raum drehen sich um. Wolfgang hört auf zu zupfen.
»Die Spalte!«, grölt Benjamin und es kommen ihm vor Lachen die Tränen. Atemnot. Zwerchfellzerrung. Torsten, bei dem immer noch nichts wirkt, hebt die Hände und senkt sie wieder mit den Handflächen nach unten, um seinem Freund zu signalisieren, dass er ganz schnell runterkommen soll. Aber Benjamin ist nicht mehr zu bändigen, er lässt sich auf den Rücken fallen wie ein zappelnder Käfer. Der unabwendbare Lachflash nimmt seinen Lauf.
»Die feuchte Gletscherspalte!«, johlt er und zeigt schamlos auf die gute Jenny, obwohl er wirklich und ehrlich nur das Kissen in ihren Händen meint. Das Mädchen, das immer nett ist und sein Auto Odie nennt, steht auf und flüchtet kopfschüttelnd aus dem Raum, vorbei an der kurzhaarigen Karin, die sofort begreift, was los ist, als sie den lachkrampfenden Benjamin auf dem Kanapee zappeln sieht wie den in einen Käfer verwandelten Gregor Samsa.
»Die feuchte Spalte!«, brüllt Benjamin und hört sich dabei selber zu wie einem Fremden, »die Stalagmiten stehen steif in der Tropfsteinhöhle!«
»Holger!!!«, schimpft Karin, doch der hebt nur die Hände und senkt zugleich die Augenlider, als könne er nichts dafür, was die Menschen mit ihrem Leben anstellen.
Was sagt die Wissenschaft? ➙ »Der dDauL (durch Dope ausgelöster unabwendbarer Lachkrampf) dauert bei Neulingen im Haschischkonsum rund 30 bis 45 Minuten, wobei diese Zeitspanne von den Betroffenen selbst nur als wenige Minuten lang wahrgenommen wird«, erklärt Professor Wilhelm Wollscheid vom Institut für wahnsinnige Wahrnehmungsverzerrung (IfwW) in Wilzenberg-Hußweiler. »Die Details der Welt werden in den Fokus gerückt und zugleich ins unermesslich Alberne gesteigert. Die großen Zusammenhänge geraten dabei zeitweilig aus dem Blick.« Dies sei auch der Grund dafür, warum Anhänger von Cannabis den herrschenden Kräften der Weltpolitik den Konsum ihrer Droge empfehlen.
Benjamin hat Holgers Teufelszeug aus sich herausgelacht und steht nun vor der Tür des Frauenschlafraums.
»Jenny, es tut mir leid. Ich wusste gerade nicht, wer ich bin.«
»Ich habe das Zeug auch getrunken und ich weiß sehr wohl noch, wer ich bin! Jedenfalls keine feuchte Spalte!«
»Eigentlich bin ich ein lieber Kerl.«
»Quatsch! Eigentlich bist du ein notgeiler Neuling, der seinen steifen Stalakmit in Tropfsteinhöhlen und feuchte Gletscher versenken will.«
Ben gluckst, statt betroffen zu sein. Eine Nachwehe des Lachkrampfs. Er ruft durch die Tür: »Wenn du das so sagst, hört es sich schon wieder sexy an.«
Was redet er da nur?
Er fasst sich an den Mund.
»Hau ab, Dämon!«, sagt Jenny. »Ich rede nicht mehr mit dir!«
»Aber was machst du denn dann den Rest der Ersti-Fahrt?«
»Ich verkrieche mich im Bett und lese Shades of Grey . Da wird die junge Studentin von dem eleganten Herrn mit einer Seidenkrawatte gefesselt. Und dann pustet er ihr auf ihre innere Göttin. Nix mit Gletscherspalte! Der Mann hat wenigstens Stil.«
Innere Göttin.
Da hätte Benjamin mal selbst drauf kommen müssen.
Er muss schon wieder Kichern wegen des gedanklichen Wortspiels.
Er hätte auf die innere Göttin kommen müssen.
Sein Zwerchfell flattert los und hört nicht auf. Das ist mehr als eine Nachwelle. Das ist ein zweiter Tsunami. Lachflash reloaded. Schnell läuft er aus dem Flur nach draußen. Er hört noch hinter sich, wie die enttäuschte Jenny eine Badeschlappe mit Wucht von innen gegen die Tür wirft.
Atemlos lachend und gleichzeitig deprimiert läuft Benjamin durch die frische Tannenzapfenluft. Sie besänftigt das Zwerchfell ein wenig. Kalte Tränen trocknen in seinen Augenwinkeln. Im fahlen Lichtkegel der Lampe über der Tür des Gemeinschaftsraums mit Küche steht der Flammenbus. Aus seinem ins Tal gerichteten Heck ertönt ein Stöhnen. Ein Ächzen. Geräusche, als ob jemand erwürgt würde.
Benjamin geht um den Bus herum und findet Torsten auf seiner Schlafstatt. Er
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