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Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Titel: Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Pieper
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»wegzupacken«. Nicht selten treffe ich Patienten, die aus sechswöchigen stationären Behandlungen frustriert und verunsichert in meine Praxis kommen und mir berichten: »Ich kann jetzt belastende Bilder in einen Tresor stecken, am sicheren Ort entspannen, auf Wolken schweben und Kraft aus einem Baum ziehen, aber über mein Trauma hat niemand mit mir geredet!« Eine grundlegende Stabilisierung kann nach meiner tiefsten Überzeugung nur aus einer intensiven Beschäftigung mit dem Trauma entstehen, die dem Patienten die Gewissheit gibt, dem Erlebten ins Auge blicken zu können, ohne gefühlsmäßig überflutet zu werden. Auf den Punkt gebracht: indem er durch diese Erfahrung Vertrauen in seine Überlebenskräfte erlangt.
    Nach meiner langjährigen Erfahrung in der Therapie mit traumatisierten Menschen, ist die Meta-Botschaft des Appells an die eigene innere Stärke genau das, was unserem angeborenen Überlebensmechanismus entspricht. Das Gefühl für diese unglaublich starken Kräfte kann durch die schwere Erschütterung verschleiert sein, aber die meisten Menschen spüren, dass diese Kräfte vorhanden sind – und jederzeit wieder aktiviert werden können. Der Mensch hat in seiner Grundanlage die Fähigkeit mitbekommen, schwere Belastungen im Leben nicht nur zu ertragen, sondern gerade an diesen Situationen zu wachsen. Alte, längst verschüttet geglaubte Ressourcen werden aktiviert, neuer Lebensmut entwickelt sich, veränderte Sichtweisen dessen, was wichtig ist im Leben, kommen zum Tragen. Ich habe während meiner Arbeit Menschen kennengelernt, deren Genesung ich aufgrund des Erlittenen nicht für möglich gehalten hätte, so tiefgreifend war der Einschnitt. Ich persönlich glaube heute, dass es Kräfte sind, die nicht nur aus uns Menschen selbst entstehen, sondern die etwas Übersinnliches, Göttliches, aus der Natur Kommendes beinhalten, das größer ist als wir Menschen. Wie auch immer Sie persönlich das nun einschätzen mögen, sei dahingestellt. Ich weiß jedoch aus meiner Erfahrung, dass diese »Kräfte« erst dann wirkungsmächtig werden, wenn wir ihnen den Raum dazu geben. Oder wie der Volksmund sagt: »Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!« Als ich einmal mit einem schwer traumatisierten jungen Mann, der sich selbst als nicht gläubigen Menschen bezeichnete, nach einer erfolgreichen Therapie über seine erstaunlich angewachsenen Kräfte sprach und er selbst diesen Satz zitierte, meinte er augenzwinkernd: »Sie wissen doch, ich bin Atheist, Gott sei Dank!«
    Die oben vorgestellte Krankenschwester hat es in der Therapie geschafft, sich jedes Detail des Vorfalls genau anzusehen. Sie musste Gespräche darüber nicht länger vermeiden, es gelang ihr sogar – unter therapeutischer Anleitung –, in das Behandlungszimmer des Vollzugskrankenhauses zu gehen, den Ort der Peinigung. Heute ist sie tatsächlich wieder in der Lage, an ihrem alten Arbeitsplatz zu arbeiten. Sie hat erfahren, dass nicht der Ort an sich gefährlich ist, sondern dass der Häftling ein gefährlicher Mensch war und sie daraus bestimmte Konsequenzen für ihren allgemeinen Umgang mit ihren Patienten ziehen musste. Sie muss nicht länger umschalten, wenn eine Filmsszene ihrem eigenen Erleben ähnelt, sondern hat vielmehr das schlimme Ereignis in ihr Leben integriert und kann mit der Erinnerung weiterleben. Letztlich ist sie dadurch stärker als vor dem Ereignis, da sie zu sich sagen kann: »Es war schlimm, aber ich habe einen neuen Weg für mich gefunden.« Sie ist an dieser Erfahrung gewachsen, hat zwei Jahre nach dem Vorfall ein Kind bekommen und engagiert sich heute ehrenamtlich in einem Verein, der sich um politisch Verfolgte kümmert, die oft sexuelle Gewalt oder Folter erlitten haben.
Mutmacher 9
    Geben Sie Ihren verborgenen inneren Kräften eine Chance zu wachsen. Nutzen Sie die Möglichkeit, diesen Prozess durch unterstützende Kräfte von außen zu verstärken. Getreu dem Motto: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!
    Wenn Sie eine Traumatherapie machen, besprechen Sie mit Ihrem Therapeuten, dass Sie nicht nur eine Stabilisierung wünschen, sondern Unterstützung bei der Traumabearbeitung.

12. Sechs Bewältigungskiller
    Betroffene von Katastrophen und anderen Traumatisierungen sind in unseren Augen immer Opfer. Wir empfinden Mitgefühl, wenn wir hören, was sie erlebt haben, wir finden sie arm und bedauernswert. Mitmenschen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, schüren in uns Wut auf die Täter. Überlebende einer Katastrophe

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