Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde

Titel: Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Klos
Vom Netzwerk:
ganze Zeit nur ein Mantra: Dem Kind darf nichts passieren! Meine wichtigste und selbstauferlegte Aufgabe war es nun, Leni so gut es ging zu beschützen. Mich quälte mittlerweile nämlich eine neue Horrorvorstellung: Wir wollen die Kinder tauschen. Doch ich habe nicht genug auf Leni aufgepasst und kann Vanessa daher kein Kind geben!
    Fakt war, dass ich von heute auf morgen nicht mehr Lenis richtige Mutter war. Ich sorgte weiter für sie, ich tat alles, damit es ihr gut ging, ich hatte sie auch noch lieb, aber meine tiefe Mutterliebe galt nun meinem leiblichen Kind. Ich hatte solch eine Sehnsucht nach Lina! Obwohl ich sie nicht wirklich kannte, wollte ich sie so schnell wie möglich zurückhaben. All diese Gefühle wurden von Tag zu Tag stärker.

    Als wir uns mit Vanessa, ihrer Mutter und Lina das zweite Mal in Homburg trafen, waren wir alle nicht mehr ganz so aufgeregt. Und Prof. von Rhein sagte schon nach ein paar vermittelnden Worten: »Am besten ich lass Sie jetzt mal ein wenig allein mit Ihren Kindern, wir sehen uns dann später zu den Einzelgesprächen wieder.«
    Vanessa und ich tauschten uns intensiv über die Kinder und ihre Gewohnheiten aus.
    Beim Thema Essen und Trinken musste ich mich stark zurückhalten, um ihr keine Predigt zu halten, wie ungesund dieses ganze Industriezeug war. Ralf schaute mich auch immer wieder beschwichtigend an. Dann sprachen wir über die Schlafgewohnheiten, und Vanessa erzählte, dass Lina bei ihr im Bett schlafen würde. Bei diesen Worten drückte sie die Kleine auf ihrem Schoß lächelnd an sich. Für mich wäre das niemals infrage gekommen. Meiner Meinung nach sollen Kinder von Anfang an in ihrem Bett schlafen und auch nicht in den Schlaf gewiegt werden. Wieder so ein Unterschied zwischen Vanessa und mir , dachte ich.
    »Guck mal, Vanessa, dein Kind«, sagte Vanessas Mutter jetzt bestimmt schon zum dritten Mal.
    Vanessa lächelte angespannt, es schien ihr wirklich schwerzufallen, sich auf Leni einzulassen.
    »Hier, nimm sie doch mal«, sagte ihre Mutter, nachdem Ralf sich Lina noch einmal auf den Arm geholt hatte. Vanessas Mutter hielt ihr Leni hin. Vanessa griff zögerlich nach ihrem Händchen und streichelte es ein wenig. Die Annäherung an Leni wie auch die Abnabelung von Lina kamen bei ihr anscheinend nur mühsam in Gang. Aber sie war ja auch noch selbst fast ein Kind; ich in ihrem Alter wäre mit so einer Situation ebenfalls völlig überfordert gewesen.

    Im anschließenden Einzelgespräch mit Prof. von Rhein nutzte ich die Gelegenheit, um meinen größten Wunsch zu äußern. »Ich wäre wirklich froh, wenn ich Lina mal stundenweise allein haben könnte, sodass ich einen Bezug zu ihr bekomme.«
    Prof. von Rhein fand die Idee gut und riet uns, wir sollten das forcieren.
    In der großen Runde machten wir dann einen Fahrplan, wann und wo wir uns weiter treffen könnten. Wir überlegten, ob Weihnachten eine gute Gelegenheit sei.
    »Vielleicht nicht unbedingt an Heiligabend, aber wie wäre es mit dem ersten oder zweiten Weihnachtstag?«, fragte ich in die Runde.
    Alle stimmten meinem Vorschlag zu, besonders Prof. von Rhein war hellauf begeistert. »Das ist doch eine Superidee!« So langsam hatte ich das Gefühl, dass er immer alles toll fand, was ich vorschlug oder machte. Das nervte mich ein wenig.
    Schließlich kam Prof. von Rhein auf den Tausch zu sprechen. »Wann, denken Sie, ist der Zeitpunkt zu tauschen?« Er schaute Vanessa an.
    Sie blickte traurig unter sich und zuckte mit den Schultern.
    »In dem Alter, in dem Ihre Babys jetzt sind, bilden sich konkrete Gedächtnisspuren, konkrete Erinnerungen an die Umgebung, an Gesichter und so weiter. Und ungefähr im achten Monat fängt außerdem das Fremdeln an. Wenn Sie erst in zwei oder drei Monaten tauschen würden, wäre es für die Kinder ganz schlimm. Denn entwicklungspsychologisch gesehen wäre dann ein Tausch mit vielen Verlustängsten verbunden. Zögern Sie es also nicht zu lange hinaus«, riet er uns.
    Vanessa fing an zu weinen.
    Und ich auch. Ich war gerade dabei, Leni zu füttern und nahm einfach ihr Lätzchen, um meine Tränen abzuwischen.
    »Sie müssen den Tausch auch nicht überstürzen, aber in drei oder vier Monaten wäre es zu spät. Wenn die Kinder zwei oder drei Monate alt sind, kann man einen Beziehungsabbruch von einem auf den anderen Tag machen, aber jetzt nicht mehr.«
    Ralf sagte, dass Leni sich in der letzten Zeit deutlich verändert habe, viel agiler und wacher geworden sei.
    Prof. von Rhein fragte

Weitere Kostenlose Bücher