Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
antwortete ich.
Frau Kirch fügte noch hinzu, dass wir aus Datenschutzgründen auch gar nichts sagen dürften.
Ruck, zuck war es auch schon vorbei. Ich hatte das Gefühl, dass einige Journalisten ziemlich enttäuscht nach Hause gingen. Im Gegensatz zu mir – ich war ungefähr zehn Zentimeter gewachsen. Hätte mir jemand am Tag zuvor prophezeit, dass alles bestens und sogar auch noch recht locker ablaufen würde, ich hätte denjenigen für völlig verrückt erklärt.
»Frau Klos, Sie haben das toll gemacht. Sie waren richtig professionell«, lobte mich unser Anwalt, als wir kurz darauf zur Nachbesprechung zusammensaßen.
»Auch wenn es unglaublich klingt, aber ich würde es auch jederzeit wieder tun.«
Es war nicht nur eine zentnerschwere Last, die von mir abfiel. Ich hatte eine Erfahrung gemacht, die mich fürs Leben stärkte.
Natürlich waren wir wahnsinnig gespannt auf die Nachrichten im Fernsehen. Wir saßen alle gemeinsam vor dem Fernseher.
»Oh! Guck mal! Mama und Papa sind im Fernsehen!«, rief Yara begeistert.
Wir schauten eine Nachrichtensendung nach der anderen, wir waren überall zu sehen, und am nächsten Tag standen wir auch in allen Zeitungen. Sogar die Schweizer waren froh, dass die vertauschten Kinder nun in ihren »richtigen Bettli« lagen.
Endlich hatten wir das Gefühl, dass wir jetzt alle Steine aus dem Weg geräumt hatten. Ich fühlte mich wie ein komplett neuer Mensch. Auch nervlich schien es mir wesentlich besser zu gehen.
Doch wir mussten uns alle erst in unser neues Leben hineintasten. Lina quengelte zwar weniger als am Tag davor, aber es ging ihr immer noch nicht wirklich gut – mal ganz davon abgesehen, dass sie noch stark hustete. Die meiste Zeit verbrachte ich mit ihr spielend auf dem Teppichboden, oder wir schauten zusammen Bücher an. Dann war sie abgelenkt.
Am darauffolgenden Tag war sie nur noch ein bisschen quengelig. Und dann war sie auch schon angekommen in unserer Familie.
Ralf war ganz vernarrt in sie. Immer, wenn sie gluckste oder quietschte, ahmte er sie nach. Und wenn sie sich zur Seite drehte, rollte er sie wieder schwungvoll zurück. Er fand es toll, dass sie so aufgeweckt war und dass er so wild mit ihr spielen konnte. Überraschenderweise war Yara überhaupt nicht eifersüchtig auf ihre neue Schwester. Ganz im Gegenteil. Sie spielte die ganze Zeit mit ihr und betüddelte sie.
Vanessa rief ich nicht an. Sie uns auch nicht. Und ich vermisste Leni auch überhaupt nicht. Das gibt es doch nicht! Über ein halbes Jahr war Leni deine Tochter, und nu n geht alles so weiter wie vorher. Es ist fast wieder ganz normaler Alltag. Das erschreckte mich, es machte mir ein schlechtes Gewissen.
Ich fragte mich natürlich schon, ob es Leni auch gut ginge und ob Vanessa sie annehmen würde. Aber ich spürte, dass es nicht mehr so wichtig für mich war. Das Leben mit Lina nahm mich einfach zu sehr in Anspruch, und Leni rückte mehr und mehr in den Hintergrund.
Am Ende der Woche rief ich Vanessa dann aber doch an. Ich erzählte ihr, dass Lina in den ersten drei Tagen sehr viel geweint hatte, aber jetzt angekommen sei. »Nun ist es so, als ob sie nie weg gewesen wäre. Ich muss noch nicht einmal mehr ihre Hand beim Einschlafen halten.«
Vanessa erzählte, dass Leni wie immer gewesen sei – ruhig. Einerseits passte es zu Leni, andererseits fand ich es schon erstaunlich, dass sie auf den Tausch anscheinend gar nicht reagierte. Wir wechselten das Thema, und ich sagte Vanessa, dass ich mich bezüglich einer zweiten Taufe erkundigt hätte. Im Gegensatz zu Lina war Leni ja schon getauft, und Vanessa konnte sie nicht nochmals taufen lassen. Vom Pastor hatte ich erfahren, dass man in diesem Fall eine Art Ersatzzeremonie abhalten könne, also eher so etwas wie ein symbolischer Akt. Dabei könnten auch die Paten eingeführt werden.
»Ach, übrigens«, sagte Vanessa, »sie heißt jetzt nicht mehr Leni, sondern Lilli. Wir haben sie umbenannt.«
Diese Nachricht traf mich wie ein Schlag. Ich war nicht mehr in der Stimmung weiterzureden und beendete das Gespräch schnell. Ich musste mich erst einmal hinsetzen und tief durchatmen. Und schon kullerten die Tränen. Auch, wenn ich Leni nicht vermisste, so waren ja doch noch Gefühle für sie da. Das merkte ich allein schon daran, dass mir immer die Tränen kamen, wenn ich an den Tausch dachte. Jetzt ist nicht nur das Kind weg, jetzt heißt es auch noch anders! , dachte ich traurig und wütend zugleich.
Vom Gefühl her war der Name das
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