Überraschung kommt selten allein
sanfte Brise strich Alberta über die Haut und beruhigte ihre angespannten Nerven. Es mussten mindestens dreißig Personen im Becken sein, doch blieb noch genügend Platz zum Schwimmen. Albertas Groll auf Tony schwand. Schließlich war der Mai geradezu perfekt für einen Besuch im Bath Spa.
Jacob setzte sich sofort in Richtung Strudel in der Ecke in Bewegung, während Alberta für Dylan auf einen Punkt in der Ferne zeigte, den sie für das Dach ihres Hauses hielt.
Dylan schien das nicht besonders zu interessieren. Er unterbrach Alberta mit den Worten: »Ich bin gleich wieder da«, und machte sich auf den Weg zu ein paar Mädchen, die ein Stück weiter weg kicherten.
Alberta planschte glücklich mitten im Pool und sah zu, wie Neuankömmlinge ins Wasser stiegen. Etwa das süße japanische, Händchen haltende Pärchen, das sich anlächelte, als es ins Becken trat. Nach ihnen kam noch ein Pärchen. Die Frau, in einem geblümten Badeanzug, die Haare von einem roten Frotteeband zurückgehalten, hatte ein starres, roboterähnliches Botoxgesicht. Den Mann konnte man nur als reifen Schönling bezeichnen. Er hatte dichte, schwarze Haare, von silbernen Strähnen durchzogen. Er war groß, breitschultrig, schlank und gebräunt, und seine anthrazitfarbene Badehose überließ nichts der Fantasie, oder, dachte Alberta genüsslich, überließ eine ganze Menge der Fantasie, wenn man so wollte.
Ihre Augen wanderten über seinen Oberkörper nach oben zu seinem Gesicht, und sie bemerkte entsetzt, dass er sie beobachtete, wie sie ihn beobachtete. Schnell wandte sie sich ab, um zu verbergen, dass ihr Gesicht die Farbe des Haarbandes seiner Frau angenommen hatte. Sie wünschte, Dylan würde herüberkommen und sagen, dass er weiterwolle, aber er bandelte mit den Mädchen an und schien zum ersten Mal an diesem Nachmittag nicht sofort wieder woanders hinzuwollen. Sie warf einen Blick zu Jacob hinüber, der sich inzwischen mit dem japanischen Pärchen unterhielt und heftig zwinkerte, ein sicheres Zeichen, dass er die beiden interessant fand.
Alberta schwamm an den Beckenrand, legte die Arme auf die Kante, lehnte sich zurück und schloss für eine lange Weile die Augen. Als sie sie wieder öffnete – ein ganz klein wenig –, schaute sie unbekümmert um sich, mit einem Lächeln, das, wie sie hoffte, vermittelte, dass sie völlig eins mit sich und der Welt war. Die Botoxfrau sprach mit einem Angestellten, der am Beckenrand hockte, um ihr zuzuhören, und der Mann – oh Gott! –, der Mann beobachtete wieder , wie sie zu ihm hinschaute! Und jetzt, oh Schreck, kam der reife Schönling auch noch auf sie zu.
»Entschuldigung«, sagte er, »ich habe zufällig mitbekommen, dass Sie mich angeschaut haben. Kennen wir uns?«
Alberta schluckte. »Das glaube ich nicht«, sagte sie, »aber Ihr Gesicht«, und als sie es sagte, glaubte sie es beinahe selbst, »kommt mir tatsächlich bekannt vor.« Es stimmte. Sein Gesicht kam ihr bekannt vor. Ganz sicher.
»Wirklich?« Seine grauen Augen blitzten sie an. »Ich hatte nicht den Eindruck, dass Sie mein Gesicht angeschaut haben.«
Alberta verschlug es fast die Sprache, und sie fing Dylans Blick auf. Sie winkte ihm munter zu, wohl wissend, dass ihr Gesicht inzwischen blutrot angelaufen war. Sie schluckte und sagte wütend: »Ich möchte wirklich nicht weiter mit Ihnen reden.« Sie drehte sich um und kollidierte mit der enormen Brust eines kahlköpfigen Mannes. »Entschuldigen Sie vielmals «, murmelte sie kläglich. Sie entdeckte Jacob und watete mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, durch das Wasser auf ihn zu.
Jacob hatte nichts dagegen zu gehen. Dylan wollte noch ein bisschen bei den Mädchen bleiben, meinte aber, er sei wahrscheinlich rechtzeitig zum Abendessen zu Hause.
Alberta war erleichtert, dass Jacob während der ersten Hälfte des Heimwegs mit Maud telefonierte. Das gab ihr Zeit, innerlich die Begegnung mit dem reifen Schönling zu verdauen und ihre anfängliche Verlegenheit in gerechte Wut über sein abstoßendes Benehmen zu verwandeln. Über die Jahre hatte sie verschiedene Offerten erhalten, alle von verheirateten Männern, die voller Hoffnung waren. Sie hatte sie immer höflich zurückgewiesen, ohne sich angegriffen zu fühlen. Bis heute hatte ihr noch nie jemand das Gefühl gegeben, dass sie das lüsterne Raubtier war, und die Ungerechtigkeit einer solchen Einschätzung ließ sie vor Wut kochen.
Die zweite Hälfte des Heimwegs verging mit der Diskussion darüber, dass Jacob am
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