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Überraschung kommt selten allein

Überraschung kommt selten allein

Titel: Überraschung kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Holt
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Trubel der letzten Wochen einfach untergegangen.«
    »Und ich nehme an – weil du es für dich behalten hast –, es ist dir lieber, wenn ich nicht mitkomme?«
    »Ich sehe nicht ein, warum wir beide einen Tag Urlaub nehmen sollen. Ich weiß, dass es nicht dein Ding ist.«
    »Ich hätte nichts dagegen. Ich könnte meine Termine bestimmt verschieben, wenn du mich gerne dabeihaben willst.«
    »Nein, du würdest es hassen. Es wird jede Menge von Lydias Anwaltsfreunden da sein, die sich gegenseitig mit brillanter Konversation beeindrucken. Es wird schrecklich werden. Ein Gutes hat das Ganze wenigstens.«
    »Und was?«
    »Dylan kommt übers Wochenende mit mir hierher. Also sind wir doch nicht allein.«
    »Stimmt«, sagte Alberta und knipste ihre Nachttischlampe aus. »Das ist eine gute Nachricht.«
    Am Mittwoch, auf der Rückfahrt vom Flughafen Bristol, brach Alberta zu ihrer eigenen Überraschung in Tränen aus. Das wäre vielleicht verständlich, wenn sie an das Jacob-lose Haus gedacht hätte, das sie erwartete. Aber sie glaubte nicht, dass sie deswegen über Gebühr durcheinander war. Jacob hatte jetzt schon die meiste Zeit bei Maud verbracht, und er war nicht die Sorte Sohn, der eine nahe und innige Beziehung zu seiner Mutter hatte. Keines ihrer Kinder hatte eine nahe und innige Beziehung zu ihr, aber darum ging es jetzt nicht, dachte Alberta und wischte sich mit der Hand über die Augen.
    Es hatte Spaß gemacht, Jacob und Maud zum Flughafen zu fahren. Maud, deren Grundstimmung beinahe schwermütig war, hatte dreimal gelacht, während Jacob versucht hatte, sich in schauerlichem Französisch mit ihnen zu unterhalten. Als es Zeit war, sich zu verabschieden, hatte Jacob seine Mutter sogar umarmt. Zugegeben, wenn es einen Rekord für die schnellste Umarmung gäbe, hätte Jacob ihn gebrochen, aber es war immerhin eine Umarmung. Und es hatte gutgetan, den beiden nachzuschauen, wie sie mit so viel Enthusiasmus in ihr neues Abenteuer schlenderten.
    Also, nein, sie weinte nicht wegen Jacob. Sie weinte um ihren Vater. Gerade noch fuhr sie am Chew Magna Reservoir vorbei und bewunderte die auf dem Meer tanzenden Sonnenstrahlen, und eine Minute später weinte sie um ihren Vater. Sie verstand es nicht. Sie hatte akzeptiert, dass für eine ganze Weile eine düstere Patina über ihrem Leben liegen würde, aber sie hatte angenommen, dass wenigstens der niederschmetternde Anfangsschmerz sich inzwischen gelegt hatte. Und doch saß sie, drei Wochen später, hier im Auto und weinte wie ein kleines Kind.
    Dass die Presse weiterhin so fasziniert von dem Skandal war, trug dazu bei. Gestern zum Beispiel war auf der Gesundheitsseite der Zeitung ein Artikel über vorzeitigen Samenerguss erschienen; der Verfasser hatte mit einer absurden Schlussfolgerung die Vermutung geäußert, dass Lord Trusslers viel besprochene Vorliebe für Sadomaso möglicherweise die Folge einer solchen Veranlagung gewesen sein könnte. Alberta hatte nicht gewusst, dass so viele Journalisten Laienärzte und selbst ernannte Psychiater waren. Bisher waren die sexuellen Vorlieben ihres Vaters mit Missbrauch als Kind, Gefühlskälte der Eltern, Hass auf Frauen, Selbsthass, Hass auf jeden, dem Wunsch nach Regression in die Kindheit und dem schlichten Genuss beim Verhauen eines weiblichen Hinterns zugeschrieben worden. Ein Genuss, den der Verfechter dieser Theorie eindeutig teilte, wenn man von der anschaulichen Beschreibung besagter Hintern ausging.
    Alberta hatte keine Ahnung, welche dieser Theorien, wenn überhaupt, zutraf. Sie wusste nur, dass der Vater, den sie gekannt und geliebt hatte, ihr Tag für Tag mehr zu entgleiten schien. An die Stelle des Vaters, der so eloquent, so klug, so respekteinflößend war, trat nun der Mann, der gerne Frauen verhaute. Oder von Frauen verhauen wurde. Oder beides. Und dann, in dieser furchtbaren Geschichte – sie wünschte, sie hätte sie nie gelesen –, wurde ferner vermutet, dass er sich gerne Windeln anzog! Dass man Lord Trussler fortan in der Öffentlichkeit mit zwielichtigen Frauen und komischen Windeln assoziierte, war schlimm genug. Doch am meisten fürchtete sich Alberta davor, dass es ihre eigenen Erinnerungen an ihren Vater beeinflusste.
    Am Donnerstagabend schaute sie sich Rio Bravo im Fernsehen an. Sie hatte ihn natürlich schon mal gesehen, aber sie genoss es trotzdem. Der große John Wayne, der härteste aller Sheriffs, der versuchte, nur mit Hilfe des komischen alten Walter Brennan für Recht und Ordnung zu sorgen. Der

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