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Überraschung kommt selten allein

Überraschung kommt selten allein

Titel: Überraschung kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Holt
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Farbe an, und Philippa fühlte sich beinahe beschwingt. Und dann kamen die Cartwrights, und Philippa traf Maurice’ Blick, und er sah schnell weg, und auf einmal machte die Party gar keinen Spaß mehr. Philippa schlüpfte unbemerkt hinaus, ging nach Hause und schaute einen Inspektor Barnaby -Krimi im Fernsehen. Er war ziemlich gut, er handelte von einer alten Dame, die sich daranmachte, nacheinander alle ihre Nachbarn zu ermorden. Philippa wusste nur zu gut, wie die kleine, alte Dame sich fühlte.
    Vor ein paar Tagen hatte sie etwas sehr Interessantes über Krokodile gelesen. Forscher der Universität Queensland hatten drei Krokodile gefangen, sie mit Satellitenempfängern ausgestattet und anschließend mit Flugzeugen an verschiedenen Küsten ausgesetzt. Innerhalb weniger Wochen hatten alle drei den Weg nach Hause gefunden, wobei eines einen Weg von gut vierhundert Kilometern zurücklegen musste. Es war beinahe so, als wären sie programmiert. Die Wissenschaftler zerbrachen sich verblüfft den Kopf darüber, wie die Tiere den Weg gefunden hatten.
    Sie konnte sich sehr gut vorstellen, wie die Wissenschaftler sich fühlten. Ihre eigenen Gefühle waren für sie zurzeit ungefähr genauso verblüffend. Egal, was während ihrer Ehe geschehen war, egal, wie unglücklich sie gewesen war, am Ende konnte sie aus unerklärlichen Gründen die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass sie jetzt, da Michael tot war, ohne ihn nicht richtig funktionierte. Sie ging in den Garten, um das Unkraut im Beet vor dem Haus zu jäten, und ertappte sich dabei, wie sie stundenlang einen Wurm anstarrte. Sie fuhr nach Marlborough, ging in den Supermarkt und vergaß, was sie kaufen wollte. Sie beschloss, spazieren zu gehen, und auf halbem Weg die Auffahrt hinunter kehrte sie wieder um.
    Natürlich würde jeder vernünftige Mensch sagen, nach fünfzig Jahren Ehe war es unmöglich, den Partner nicht zu vermissen. Aber ein vernünftiger Mensch wusste nicht, dass sie Michael einmal das Herz gebrochen hatte, und zwar so gründlich, dass es danach nur noch ein armseliger, schwacher Schatten seiner selbst war, zusammengehalten von ausgefransten Bandagen. Ein vernünftiger Mensch hatte keine Ahnung, dass sie jahrelang nur mit ihm zusammengeblieben war, um gerechte Buße zu tun und sich selbst zu bestrafen. Sie hatte immer gedacht, dass sein Tod ihr die Last der Schuld nehmen würde, doch sie begleitete sie nach wie vor auf Schritt und Tritt.
    Und irgendwann während dieser Zeit war etwas Seltsames passiert. Sie hatten nicht darüber geredet – es war Jahre her, dass sie und Michael über ihre Gefühle füreinander geredet hatten –, aber seit seiner Pensionierung hatten sie irgendwie gelernt, zufrieden zusammenzuleben. Wer hätte das gedacht? Er hatte einmal zu ihr gesagt, dass er ihr niemals verzeihen könne. Sie hatte einmal gedacht, dass sie lieber sterben als mit ihm leben wollte. Und hier stand sie nun in ihrem gemeinsamen Garten und merkte, dass er ihr fehlte. Vielleicht konnte ein Wissenschaftler es erklären, denn sie konnte es nicht.

13
    ~~
    Ein anderer Mann, eine andere Frau
    F ast hätte Hannah Alfie zurückgenommen. Sie hatte sich dazu breitschlagen lassen, mit ihm etwas trinken zu gehen, und es war ihm beinahe gelungen, sie davon zu überzeugen, dass die Bumserei mit Prinzessin Blanche nur der verzweifelte Versuch war, ein Gefühl der Entmännlichung zu überwinden. Das, erklärte er, bekomme man als Mann unweigerlich, wenn man mit einem Mädchen zusammen war, das eine eigene Wohnung besaß und viel mehr Geld verdiente. Sie habe ja keine Ahnung, fügte er hinzu, wie schwierig es sei, in London eine halbwegs anständige Wohnung zu finden. Hannah griff nach ihrer Tasche und sagte, sie würde ihm die Namen von ein paar guten Maklern schicken.
    Sie war sich bewusst, dass sie Gefahr lief, völlig den Halt zu verlieren. Erst neulich Abend hatte sie ausgerechnet ihre Mutter angerufen und ihren ganzen Frust an ihr ausgelassen, was nicht nur schrecklich unfair, sondern auch total egoistisch und gemein war, wo doch Großvater noch nicht mal einen Monat tot war. Sie hatte noch einmal angerufen, um sich zu entschuldigen, machte sich aber trotzdem noch Vorwürfe.
    Ein paar Tage später, wahrscheinlich von ihrer Mutter angestachelt, hatte Tony angerufen, als er in London war, und vorgeschlagen, zusammen Mittag essen zu gehen. Sie wollte ihm sagen, was für ein schlechtes Gewissen sie habe, doch dann sprachen sie kaum über ihre Mutter oder

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