Übersetzt du noch oder verstehst du schon?
in den Werbemotiven und Werbefilmen zum Ausdruck kommt, für die emotionale – und damit auch die Handlung bestimmende – Reaktion wichtiger ist als das rationale Wissen um den Inhalt einer Werbezeile.
Wenn man allerdings dieser Argumentation konsequent folgt, hätte man im vorliegenden Fall ganz auf einen Werbespruch verzichten können und nur Cowboys, Pferde und Lagerfeuer zusammen mit dem Markenlogo zeigen können.
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SLOW DOWN. PLEASURE UP.
ODER: RAUCHEN MACHT LANGSAM
Zigarettenwerbung hat es schwer, sie ist heute alles andere als politisch korrekt und unterliegt zahlreichen Auflagen und Verboten. Schon 1974 wurde sie aus dem Fernsehen verbannt und später mit unschönen Warnhinweisen versehen. Wahrscheinlich wird es in Zukunft gar keine Werbung für Tabakprodukte mehr geben. Deshalb müsste sich die Werbung dort, wo sie noch erlaubt ist, eigentlich besondere Mühe geben, um die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppe zu erreichen. Die ZigarettenmarkeCAMEL ist viel älter als MARLBORO und gehört zu denen, die auch Werbegeschichte geschrieben haben. 1969, als das Rauchen noch Spaß machte und sozial noch nicht geächtet war, entstand der Claim: „Ich geh’ meilenweit für eine Camel Filter“. Ganz neu war die Idee nicht, denn es handelte sich um eine Adaption des englischen Spruches „I’d walk a mile for a camel“, den die amerikanische Werbeagentur N. W. Ayer bereits 1921 für die R. J. Reynolds Tobacco Company entwickelt hatte.
Die deutsche Version kennt hierzulande jeder, der über vierzig ist und aus den alten Bundesländern stammt – unabhängig davon, ob er oder sie jemals geraucht hat. Verbunden war dieser Spruch mit einem verwegen dreinblickenden, lockigen Abenteurer-Typen, der sich irgendwo zwischen Steppe und Dschungel bewegte und am Schluss eines jeden TV- und Kino-Spots hinsetzte, eine Zigarette anzündete und dabei seine Beine so übereinanderschlug, dass die Kamera ein Loch in der Schuhsohle einfing. Damit hatte CAMEL Maßstäbe gesetzt und die Wirkungsmesslatte für mögliche neue Werbesprüche sehr hoch gelegt.
Nach der Verabschiedung des Abenteurers mit der Lochsohle in den Ruhestand begann der Niedergang der Marke. Es folgte eine Phase mit mehr oder weniger lustigen Kamelen als Werbemotiven und ständig neuen Sprüchen wie „Tierisch anders. Tierisch mild“ oder „Neu entdecken, was schmeckt“, die heute keiner mehr kennt.
Nach den vielen Versuchen mit tierischen Kamel-Karikaturen besann man sich Anfang des neuen Jahrtausends bei Reynolds wieder auf den Mann als Werbeidol, verpflanzte ihn allerdings vom Urwald ins Wohnzimmer. Begleitet wurde die neue Kampagne mit eben dem Spruch „Slow down. Pleasure up.“ , den die Agentur McCann Erickson ersann.
Dazu wurden im Jahr 2003 rauchende wie nichtrauchende Erwachsene befragt, um zu erfahren, ob sie den Spruch verstehenund was sie dahinter vermuten. Das Ergebnis ist eigentlich ein Erfolg für alle Nichtraucher-Initiativen, denn nur elf Prozent konnten diesen Spruch halbwegs übersetzen. Andere gaben sich Mühe und mutmaßten beispielsweise:
Bitte abbremsen
Schlag drauf und leiste Abbitte
Vor allem letzteres dürfte von CAMEL kaum intendiert gewesen sein. Der Zigarettenhersteller meinte vielmehr sinngemäß:
Komm runter und entspann dich/Mach mal langsam
und genieße
Der Inhalt dieses Spruches erinnert Kenner der Werbeszene stark an eines der großen Glanzlichter der deutschen Werbesprüche, an das der CAMEL-Versuch allerdings nicht im Geringsten heranreicht. Dabei ging es bei dem berühmten Spruch auch um Zigaretten. Der ältere Teil der deutschen Bevölkerung erinnert sich bestimmt noch an das „HB-Männchen“. Das war eine Zeichentrickfigur, inoffiziell Bruno genannt, die von 1957 bis 1984 für die Zigarettenmarke HB warb. HB steht übrigens als Abkürzung für den Namen der Dresdner Zigarettenfabrik „Haus Bergmann“, die aber bereits 1932 von British American Tobacco (BAT) aufgekauft wurde.
In den Fernseh- und Kinospots wurden ständig nach dem gleichen Muster Alltagssituationen gezeigt, bei denen etwas schief lief, was den guten Bruno jedes Mal tierisch aufregte. Dann tobte er in einer unverständlichen Sprache (dabei soll es sich übrigens um Arabisch gehandelt haben, das rückwärts mit erhöhter und zunehmender Geschwindigkeit abgespielt wurde) und ging buchstäblich in die Luft. Dann ertönte eine sanfte Stimme aus dem Off und sprach die berühmten Werbeworte: „Halt, mein Freund. Wer wird denn gleich in die
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