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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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kleines Stück weiter, bis sie zu einer Stelle kam, an der der Bach in einem kleinen Waldstück verschwand.
    Zelda stieg von ihrer Stute, nahm sie fest beim Zügel und ließ sie trinken. Dann band sie Rose an einen Baum und sah sich in aller Ruhe um.
    Zwei dichte Baumreihen trennten das Bächlein vom Weg, sodass Zelda vor den Blicken anderer Reisender geschützt war.
    Sie nahm das Barett vom Kopf, wickelte den Verbandab und genoss die Haarwäsche im kalten Wasser. Dann zog sie sich die Kleider aus und wusch sich den Reisestaub, die Angst und alle Sorgen und Kümmernisse vom Leib.
    Anschließend nahm sie Rose die Satteltaschen ab, kleidete sich an und legte sich unter einen Baum ins Gras, um das Haar trocknen zu lassen. Wenige Augenblicke später war sie eingeschlafen.
    Als sie nach Stunden erwachte, wusste sie im ersten Augenblick nicht, wo sie war. Zelda richtete sich auf und sah sich um. Die Dämmerung stieg von der Himmelsleiter und hüllte die Umgebung in ein graues Gewand. Der Bach murmelte leise vor sich hin, in den Blättern der Bäume raunte der Wind.
    Sie stand auf, ging zum Bach und fand den gewaschenen KopfVerband, der in der Zwischenzeit getrocknet war. Sie wand ihn sich erneut um, dann nahm sie die Satteltaschen und ging zu der Stelle, an der sie Rose zurückgelassen hatte.
    Aber der Baum, an den die Stute gebunden war, war verlassen.
    Zelda sah sich um, rief nach Rose, doch alles blieb still, nur ihre eigene Stimme schallte durch die anbrechende Nacht.
    Wo war Rose?
    Zelda spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Sie ging zurück zum Baum und untersuchte ihn. Hatte Rose sich etwa losgerissen?
    Sie bückte sich und suchte den Waldboden ab, doch nirgendwo fand sie auch nur das kleinste Stückchen Zaumzeug oder Zügel. Der Boden aber war zertreten, und Zelda erkannte im Moos deutlich die Abdrücke von schweren Stiefeln.
    Jetzt stand fest: Rose war gestohlen worden.
    Zelda sank auf den Boden und brach in Tränen aus. Sie weinte wie ein kleines Kind, unfähig, sich zu beruhigen, unfähig auch, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Sie fühlte sich so erschöpft, so gottverlassen und mutterseelenallein wie noch niemals zuvor in ihrem Leben. Ihr größter Wunsch war es, zu Hause auf den McLain-Manors zu sein, an der Brust ihres Vaters Trost zu suchen und ihre Erschöpfung in den weichen Kissen ihres Bettes abzulegen.
    Doch die Manors lagen viele, viele Meilen von Zelda entfernt. Beinahe vierzehn Tagesritte.
    Und auch Edinburgh lag nicht gerade vor der Haustüre.
    Oh, Gott, worauf hatte sie sich bloß eingelassen! Die Gefährlichkeit ihres Unternehmens wurde ihr erst in diesem Augenblick vollständig bewusst. Sie war allein! Ganz allein! Noch nicht einmal mehr ein Pferd hatte sie!
    Es gab niemanden, der sie angesichts einer Gefahr beschützen konnte. Sie war allen möglichen Dingen hoffnungslos ausgeliefert. Straßenräuber, von denen es im ganzen Land nur so wimmelte, konnten sie überfallen! Sie konnte stürzen, in eine Falle tappen und hilflos liegen bleiben! Sie konnte erneut beraubt werden und dabei ihrer Satteltaschen verlustig gehen. Sie war allein, und sie war eine Frau!
    Doch alle Vorwürfe halfen nun nichts mehr. Egal, was passiert war, Zelda musste nach Edinburgh. Dort gab es eine Schwester ihres Vaters, Laetitia Dalrumple. Sie war die Nächste, bei der sie Schutz und Hilfe erwarten konnte. Und sie musste sich beeilen. Vielleicht traf sie unterwegs auf Leute, die sie ein Stückchen mitnehmen konnten. Vielleicht schaffte sie es wirklich noch rechtzeitig,den Hafen von Edinburgh zu erreichen, bevor Joan und Ian Laverty über das Meer verschwanden.
    Zelda seufzte noch einmal tief auf, dann hängte sie sich die beiden Satteltaschen über die Schultern und lief los.
    Sie kam an dunklen Wäldern vorbei, in denen es knackte und knarzte, sie kam an Dörfern vorüber, deren Fensterläden geschlossen waren, wo kein Laut zu hören war und nur die Hofhunde an der Kette den Mond anheulten.
    Die Füße brannten ihr, die Schultern schmerzten von der Last der Satteltaschen, als sie endlich an einem Kloster vorbeikam.
    Kurz entschlossen klopfte sie an die Pforte. Es dauerte eine ganze Weile, ehe eine hölzerne Klappe in der Tür geöffnet wurde und ein Mönch herausschaute.
    »Gott zum Gruße, Bruder«, sagte Zelda mit vor Erschöpfung kleiner Stimme. »Habt Ihr ein Nachtlager für einen müden Wanderer?«
    Der Mönch betrachtete sie von Kopf bis Fuß, und erst unter diesen Blicken wurde Zelda ihr Aussehen gewahr.

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