Ufer des Verlangens (German Edition)
»Du siehst sehr schön aus. Das Kleid steht dir hervorragend. Und soviel ich davon verstehe, ist es von einem der besten Gewandschneider und nach der allerneuesten Florentiner Mode gefertigt.«
»Ich bin zu Besuch bei meiner Tante«, erklärte Zelda knapp.
Ian nickte.
Hoffentlich fragt er mich jetzt nicht, was ich am Hafen zu suchen habe, dachte Zelda und lächelte ihn an, um ihn von diesem Gedanken abzulenken. Beinahe im selben Augenblick bog ein Grüppchen wild aussehender Seemänner um die Ecke in die Gasse und nahm Kurs auf den Pub Zum Wilden Mann , der nur wenige Schritte entfernt lag und aus dessen offener Tür ein ohrenbetäubender Lärm drang.
Als die Männer Ian Laverty erkannten, grüßten sie ihn respektvoll und machten, dass sie davonkamen, sodass Zelda in ihrer Annahme, Ian Laverty sei ein gefährlicher Mädchenhändler, nur noch bestärkt wurde.
Wenn schon die Seemänner, die weder Tod noch Teufel fürchteten und bestimmt die gefährlichsten Abenteuer auf ihren Fahrten über die sieben Meere erlebt hatten, Ian mit Respekt, ja, beinahe mit Furcht oder gar Ehrfurcht begrüßten, so musste Laverty in der Unterwelt der Hafenstadt Edinburgh eine große und bekannte Rolle spielen.
Ian sah den Männern nach, bis sie in dem Pub verschwunden waren, dann griff er Zelda behutsam am Ellbogen und sagte: »Lass uns ein wenig am Meer spazierengehen. Diese Gegend ist nichts für ein junges, unschuldiges Mädchen aus den Highlands.«
Zelda lächelte zaghaft und folgte ihm gehorsam.
Warum habe ich eigentlich keine Angst vor ihm?, dachte sie plötzlich. Warum fühle ich mich bei diesem Mann so geborgen und beschützt, als läge ich zu Hause im Gutshaus im weichen Bett meiner Kammer? Sie wusste keine Antwort darauf.
Wenig später hatten sie den Hafen hinter sich gelassen und waren an ein Stück Strand gekommen. Das Meer glitzerte im Mondschein wie eine Platte aus flüssigem Silber, die Wellen trugen ihre Kämme stolz wie junge Bräute ihre Hauben mit Spitzenbesatz. Eine leichte Brise kam vom Meer, strich sanft durch Zeldas Haar und kühlte ihre heißen Wangen.
Sie war verwirrt. Ians Nähe nahm sie völlig gefangen. Sein männlich-herber Duft kroch in ihre Nase, die Wärme seiner Haut strahlte auf sie ab.
In seinen Armen zu liegen, war alles, was ihr Herz wünschte. Doch ihr Hirn mahnte sie zur Vorsicht, wünschte das Gegenteil.
Wortlos schlenderten sie am Strand entlang. Ian griff nach Zeldas Hand, hauchte einen Kuss auf ihren Puls, der sich dadurch selbstverständlich nicht beruhigte, sondern noch heftiger das Blut durch ihren Körper trieb.
Irgendwann blieben sie stehen. Ian nahm ihr Gesicht vorsichtig zwischen seine beiden Hände und sah Zelda tief in die Augen.
Wieder fand sie weder Lug noch Trug in seinen Blicken, im Gegenteil, sie hatte das Gefühl, bis auf den tiefsten Grund seiner Seele schauen zu können. Einer Seele, die weiß und rein wie frisch gefallener Schnee war.
»Du bist so schön«, sagte er, doch Zelda schüttelte heftig den Kopf. Ohne es zu wollen, musste sie in diesem Augenblick an Banda denken. An Banda, seine Gewalttätigkeit und die schmerzenden, grässlichen Worte, die er zu ihr gesagt hatte.
Unwillig machte sie sich los.
»Was ist mit dir?«, fragte Ian.
Ein beinahe ohnmächtiges Bedürfnis, ihm zu erzählen, was ihr in dieser Nacht nahe dem Zigeunerlager widerfahren war, bemächtigte sich ihrer. Tränen stiegen in ihr auf, drängten mit aller Macht in ihre Augen.
Hier, im Schutz und in der Geborgenheit lans, löste sich der eiserne Ring, der sich seit der missglückten Vergewaltigung um ihr Herz geschlossen hatte.
Doch Ian war nicht der, für den sie ihn hielt. Warum, o Gott, warum nur konnte Ian Laverty nicht der sein, den sie sich wünschte? Ein rechtschaffener Mann, der sie liebte und begehrte und den sie von Herzen lieben und begehren konnte …
Das Schicksal schien sich gegen sie verschworen zu haben.
»Was ist?«, fragte er noch einmal, nahm ihr Gesicht wieder in die Hände und zwang Zelda, ihn anzusehen.
Sie schloss die Augen und seufzte, während er mit dem Daumen behutsam über ihre Brauen strich.
»Findest du mich wirklich schön?«, fragte sie, und Ian hörte die Verwundung in ihrer Stimme.
»Ja«, sagte er mit Nachdruck. »Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Du trägst die Reinheit einer Heiligen im Blick, deine Wangen erinnern an frisch erblühte Rosen, dein Mund gleicht einer reifen Kirsche, und deine Haut fühlt sich an wie frisch
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