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Ufer von Morgen

Ufer von Morgen

Titel: Ufer von Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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einen Blick auf die Uhr. »Habe ich also die Erlaubnis, einen Atomsprengkopf hinauf zuschicken?«
    »Nein!« wurde geantwortet. Der erste Zivilist hatte jetzt das Kommando übernommen. Er war anscheinend der höchste Beamte. »Das kommt nicht in Frage. Es muß einen anderen Ausweg geben.«
    »Es gibt keinen«, behauptete Stanley zum x-tenmal. »Und der bloße Wunsch führt auch zu keiner Lösung. Man kann die Gesetze des Universums nicht fortwünschen. Man muß ihnen folgen. Und genau das tut die Martian Queen. Und genau das wird auch New York tun, wenn es von der Stoßwelle getroffen wird.« Er schwieg und starrte sie an. »Ich frage Sie noch einmal: Habe ich die Erlaubnis, die Bombe rauf zuschicken?«
    »Ich sehe kaum eine Möglichkeit, die Erlaubnis zu geben, General. Wir müssen einen anderen Ausweg finden.«
    Stanley blickte auf die Uhr und seufzte. »Es ist jetzt sowieso schon zu spät«, sagte er leise. »Während wir uns gestritten haben, ist die Queen weiter gestürzt. Sie konnte nicht warten. Selbst wenn Sie es mir befehlen würden, könnte ich jetzt keine Bombe mehr hinaufschicken.«
    Zwei Männer sahen ängstlich aus dem Fenster nach Norden. Stanley entging die Bewegung nicht. Er konnte das Fenster auf dem Bildschirm nicht sehen, aber er wußte, wonach man Ausschau hielt. Die Katastrophe würde auch von Washington aus zu sehen sein.
    »Ach, sie wird nicht landen«, sagte Stanley. Seine Stimme klang alt und müde. »Es wird keinen Aufprall geben. Ich habe einige Minuten, bevor Sie sich versammelten, eine automatisch gesteuerte XV-19 hochgeschickt. Sie war mit einem atomaren Sprengkopf bestückt. Kapitän Deering wird sie, oder sagen wir lieber hat sie, ins Ziel gesteuert. Die Martian Queen hat sich vor über einer Minute in Staub aufgelöst. Es blieb nichts anderes zu tun übrig.«
    Einer der Männer bedeckte das Gesicht mit den Händen.
    »Ich vermute, Sie wissen, was das bedeutet?« fragte General Hagopian leise.
    »Weiß ich«, sagte Stanley. »Selbst wenn ich mit heiler Haut davonkomme, werde ich alles verlieren, wofür ich gearbeitet habe. Es macht nichts. Sogar vor dem Kriegsgericht werde ich wissen, daß ich Millionen von Menschen das Leben gerettet habe.«
    General Hagopian nickte. »Das wird man Ihnen anrechnen. Sonst können wir nichts für Sie tun. Sie werden das verstehen. Sie werden den Kopf hinhalten müssen.« Hagopian sah Stanley fest an. »Sie sind ein tapferer Mann, General. Schade, daß die meisten Menschen nicht verstehen werden, was Sie getan haben, und warum.«
    Stanley zwang sich zu einem Lächeln. »Die Leute, auf die es ankommt, werden es verstehen, General. Und nur die zählen.«

Der Tag, an dem der Gründer starb
    Sieben Uhr. Kling. Aufstehen.
    »Es ist noch zu früh«, murmelte Wilcox.
    Kling.
    Eine halbe Stunde zu früh. Wilcox wollte trotzdem aufstehen, da der zur Eile mahnende Weckruf bis an den Rand seines schlaftrunkenen Bewußtseins drang und nicht aufhören wollte. Kling. Der helle Klang drang immer wieder wie eine Nadel in sein Gehirn, kling, kling, kling. Und an der Schlafzimmerwand leuchtete ein rotes Licht auf. Aufstehen, aufstehen.
    Der Eilweckruf bedeutete, daß etwas in der Stadt in Ordnung gebracht werden mußte und daß es wieder an ihm war, die Reparatur durchzuführen. Normalerweise reparierte sich die Stadt selbst, doch manchmal geschah es, daß es eine Störung zweiten Grades gab, das heißt, einen Schaden, der über die Fähigkeiten der Maschinen hinausging, die gewöhnlich alles reparierten. Und dann ertönte der Eilweckruf, um die Männer herbeizurufen, die die Reparaturmaschinen in Ordnung brachten. Es gab etwa hundert solche Reparaturleute. Wilcox war einer der jüngsten, und einer der besten, wie er meinte. Er konnte jede Maschine in Ordnung bringen. Er brachte ein natürliches Talent für seine Arbeit mit, ein intuitives Gespür für verborgene Innereien einer mechanischen Anlage.
    Kling.
    Er schlüpfte leise aus dem Bett. Das Mädchen, das neben ihm geschlafen hatte, schlummerte weiter. Der Weckruf tat bei ihr keine Wirkung. Wilcox ging zum Nachrichtenschrank und gab rasch die Meldung durch, daß er den Ruf erhalten habe. Das Klingeln hörte auf. Das rote Licht erlosch. Der Nachrichtenschrank keuchte und stieß einen glänzend grünen Papierstreifen aus, dem Wilcox entnahm, daß er sich bis spätestens sieben Uhr siebenundzwanzig im Krankenzentrum auf Ebene neunzehn zu melden habe. Er bestätigte auch das. Dann steckte er den Kopf in die Öffnung

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